Auvergne Juni 2019 – 1. Teil: von Concœur bis Clermont-Ferrand

Die Auvergne im Herzen Frankreichs stand schon seit einer Weile auf meiner Reiseliste. Die meisten Leute guckten mich ahnungslos an, wenn ich sagte, dass ich dorthin fahre. Dieser schöne Landstrich ist kaum bekannt und also noch als Geheimtipp anzusehen. Ich wurde aufmerksam auf diese alte Vulkanlandschaft durch mein liebstes Mineralwasser: Volvic. Auf jeder Flasche ist ein ehemaliger Vulkan abgebildet und man wirbt damit, dass das Wasser durch sechs vulkanische Gesteinsschichten gefiltert wird. Als ich dann mal ein wenig recherchierte, erfuhr ich, dass es eine ganze Kette solcher Berge gibt, etwa 80 sogenannte „puys“ erheben sich aus der Landschaft. Das wollte ich unbedingt sehen!

Samstag, 8. Juni

Die Anfahrt ist die gleiche wie 2017 ins Burgund, über die Eifelautobahn und durch Lothringen. Nach knapp über 600 Kilometern erreiche ich den Weiler Concœur bei Nuits-St-Georges. Hier bin ich während meines Burgund-Urlaubs auch schon einmal gewesen, da hatte ich jedoch noch nicht die Möglichkeit, den Stellplatz des Fruirouge zu nutzen, da ich damals noch auf Landstrom für meine Kühlbox angewiesen war. In diesem Urlaub will ich den Pass von FrancePassion so viel wie möglich nutzen.

Was ist FrancePassion?
Man bezahlt einmal im Jahr die Mitgliedschaft und erhält dann einen Mitgliedsausweis, eine Vignette fürs Auto und ein Gastgeberverzeichnis. Mit diesen Dokumenten ist man dann berechtigt, auf dem Gelände eines Gastgebers eine Nacht gratis zu übernachten. Es wird gern gesehen, wenn man beim Gastgeber etwas einkauft, oft sind es Bauernhöfe oder Winzer. Eine Verpflichtung besteht jedoch nicht. Die Auswahl an Gastgebern ist erstaunlich groß, vor allem in touristisch geprägten Gegenden.

Die Familie Olivier hat einen wunderschönen kleinen Stellplatz angelegt, auf hellem Kies, mit einer kleinen Sitzgruppe, auf der Wiese daneben stehen landwirtschaftliche Geräte älteren Datums, die anscheinend nur noch Dekoration sind. Der Blick schweift über Wein- und Getreidefelder. Wenn man Glück hat, kann man sogar die Spitze des Mont Blanc von hier aus sehen. Mir ist dieses Glück vergönnt! 🙂

Den Nachmittag verbringe ich mit einem Spaziergang um den Weiler, durch Wald und Felder. Am Abend kredenze ich mir einen leckeren Salat. Die Nacht ist wunderbar ruhig.

Übernachtung:
Ferme Fruirouge (FrancePassion)
Hameau de Concœur, bei Nuits-St-Georges an der Burgundischen Weinstraße

Stellplatz für ein Wohnmobil, mit Sitzgruppe und Mülldepot
Produkte: allerlei Leckeres aus biologisch angebauten Früchten, z.B. auch Cassis-Senf

Gefahrene Strecke: 638 Kilometer

Pfingstsonntag, 9. Juni

Am Morgen werde ich von der aufgehenden Sonne geweckt. Nach dem Frühstück drehe ich nochmals eine kleine Spazierrunde und kaufe dann im Fruirouge ein Glas Himbeerkonfitüre (6,90 €). Ich lasse M. Olivier wissen, dass ich mich hier ausnehmend wohl gefühlt habe und den Stellplatz auf jeden Fall weiterempfehlen werde.

Auf dem Weg weiter gen Süden will ich noch etwas anderes „erledigen“. Bereits 2010 war ich mit einer Rotel-Reisegruppe am Roche de Solutré. Damals besichtigte ich zwar das Museum, ging aber nicht ganz auf den Felsen hinauf. Dies hole ich also jetzt nach. Der Felsen ist schon von weitem gut zu erkennen. Hier haben wohl eiszeitliche Jäger Pferde gejagt, indem sie sie auf den Felsen trieben, von dem die Tiere dann in die Tiefe stürzten. Am Fuß des Felsens wurden extrem viele Pferdeknochen gefunden. 2010 standen hier noch ein paar witzige Straßenschilder auf dem Weg zum Museum, heute sind sie nicht mehr da. Wie gut, dass ich sie seinerzeit bildlich festgehalten habe. 😀

Leider ist das Wetter nicht gerade dazu geeignet, um auf rutschigen Felsen herumzuklettern. Es nieselt leicht. Also besonders aufpassen. Die Aussicht ist trotz der tief hängenden Wolken beeindruckend.

Dann geht es weiter nach Süden. In Lyon muss ich ganz besonders aufpassen, hier treffen so viele große Straßen und Autobahnen aufeinander! Aber ich komme gut durch und fahre weiter gen Westen. Die Sonne lässt sich nun auch mal kurz blicken. Als ich Le-Puy-en-Velay erreiche, ist es aber schon wieder bedeckt und nieselig.

Le Puy ist auch so ein Ort, den ich schon lange besuchen wollte. Die Stadt ist ein wichtiges Etappenziel des Jakobsweges von Metz nach St-Jean-Pied-de-Port. Ich entdecke einige Pilger in den Gassen und sofort überfällt mich auch wieder die Lust aufs Pilgern. Als ich am Fuß der Straße stehe, die zur Kathedrale hinaufführt, fühle ich mich fast wie bei meiner Ankunft in Köln bei meiner ersten Pilgerwanderung. Doch mein erstes Ziel ist die Kapelle St-Michel-d’Aiguilhe (Sankt Michael auf der Nadel). Auch Le Puy liegt in ehemals vulkanischem Gebiet, die Kapelle ist auf einer Felsnadel gebaut, die einst ein Vulkanschlot war. Die erstarrte Lava blieb, während der Rest des Vulkans aus weicherem Gestein der Erosion nicht trotzen konnte. Zur Kapelle führen viele Stufen hinauf, aber die Anstrengung lohnt sich. Zum einen ist der Ausblick über die Stadt sehr schön und dann natürlich für die Kapelle selbst. Sie ist sehr schlicht, zum Teil aus dem Felsen heraus gehauen. Dennoch bin ich in höchstem Maße ergriffen, während ich minutenlang erstmal nur an der Wand sitze und mich umschaue. Ich verbringe hier sicherlich mehr als eine halbe Stunde. Als ich die Kapelle wieder verlasse, fühle ich mich tiefenentspannt. Hier scheint eine ganz besondere Aura zu herrschen …

Auf der Felsnadel stand bereits in römischer Zeit ein Tempel. Im 10. Jahrhundert wurde eine erste kleine Kapelle gebaut, die später erweitert bzw. überbaut wurde. Fast das gesamte Plateau auf der Felsnadel ist bebaut, nur ein schmaler Weg ist noch übrig, auf dem man das außergewöhnliche Bauwerk umrunden kann. Im Inneren gibt es neben mehreren Statuen des Hl. Michael auch alte Wandmalereien zu bestaunen.

Dann gehe ich zur Kathedrale, wo gerade eine Pilgergruppe singend in das Gotteshaus einzieht. Diese Stimmung ist außergewöhnlich und reißt mich total mit. Vielleicht werde ich hier eines Tages auch zu Fuß ankommen, um dann weiter nach Santiago zu marschieren …

Nachdem ich die Gassen von Le Puy ausreichend erkundet habe, fahre ich weiter nach Bains. Die Landschaft hier ist beeindruckend: hohe Berge, tiefe Täler, enge Schluchten. Mein Camper quält sich so manche Steigung hinauf. Bains ist ein kleiner Ort, wo ich wieder auf einem Stellplatz von FrancePassion übernachte. Diesmal bei einem Linsenbauern. Auf der großen Wiese hinter dem Haus ist Platz für drei große Wohnmobile. Nebenan ist eine Schafweide, deren Bewohner nicht besonders zutraulich sind. Die Futterkrippe finde ich sehr kreativ! 😀 Ganz in der Nähe ist ein Bäcker und eine Apotheke. Falls man Bedarf hat.

Übernachtung:
La Ferme de St-Jacques (FrancePassion)
Bains

Stellplatz für drei Wohnmobile
Produkte: grüne Linsen AOP (eine Spezialität in Le Puy und Umgebung)

Gefahrene Strecke: 357 Kilometer

Pfingstmontag, 10. Juni

Nachdem ich reichlich ausgeschlafen habe, fahre ich weiter nach Saugues. Auch hier sind viele Pilger unterwegs, ich wünsche allen „Buon Camino“! Während ich in einem Café sitze, komme ich mit einer etwas älteren Dame am Nachbartisch ins Gespräch, sie ist ganz offensichtlich eine Pilgerin. Sie ist allein unterwegs und läuft den Jakobsweg von ihrer Heimat Straßburg in einem durch bis nach Santiago. Wow! Und das schon zum zweiten Mal! Sie und ihr Mann sind nach ihrem Renteneintritt bereits den Pilgerweg komplett gelaufen. Nun möchte sie es wiederholen, ihr Mann hatte jedoch keine Lust, nochmal mitzukommen. Ich finde es toll, dass sie es auch allein durchzieht!

Sosehr mich das Pilgertum auch wieder in seinen Bann zieht, mich führt etwas ganz anderes in den Ort – und zwar die Bestie von Gévaudan.

Mitte des 18. Jahrhunderts wurde dieser Landstrich von einer Bestie heimgesucht, die mehr als einhundert Menschen tötete. Da die örtlichen Behörden bald überfordert waren, schickte König Ludwig XV. einige seiner Soldaten für die Jagd auf die Bestie. Doch auch ihnen gelang es nicht, das Morden zu beenden. Erst nach einigen weiteren Monaten gelang es einem Einheimischen, das Untier zu erlegen. Bis auf den heutigen Tag weiß man nicht genau, was die Bestie von Gévaudan war: ein riesiger Wolf oder eine aus einem Gehege entkommene Hyäne, vielleicht aber auch ein Triebtäter, der sich in Tierfelle kleidete.

In Saugues ist ein Museum, das in 24 Szenen mit lebensgroßen Puppen, Erzählungen (nur französisch), Ton- und Lichteffekten die historischen Ereignisse darstellt. Ist schon ziemlich gut aufbereitet und sehr spannend! Der Stoff wurde auch in Spielfilmen verarbeitet ( z.B. „Pakt der Wölfe“), da dann natürlich mit noch etwas mehr künstlerischer Freiheit.

Nun geht es nach Chanteuges. Hier will ich zunächst gar nicht übernachten, sondern nur besichtigen. Ich folge einem Parkplatzschild mit WoMo-Entsorgungssymbol. Der Parkplatz entpuppt sich als hübsch angelegter Stellplatz am Bahnhof, sogar mit Toilette. Hier ist es so nett, dass ich sofort entscheide, hier auch zu übernachten. Denn gratis ist der Stellplatz auch noch! Nachdem ich einen Milchkaffee getrunken habe, erkunde ich das kleine Dorf, das sich zwischen Fluss und Felswand duckt. Die Gassen sind in höchstem Maße pittoresk, die Häuser liebevoll gepflegt und die Gärten ein dekoratives gewolltes Chaos. Über dem Dorf trohnt die alte Abtei, in der heute zum Teil Wohnungen eingerichtet sind. Wirklich ein besonderer Ort. Am Abend sieht er nochmal ganz anders aus. Da es regnet, erkunde ich ihn aber nicht ein zweites Mal.

Übernachtung:
Stellplatz am Bahnhof von Chanteuges
Rue de la Gare, 43300 Chanteugues
GPS-Koordinaten: 45.072106, 3.530101 oder 45°04’19.6″N 3°31’48.4″E
kostenlos

mit Toilette und Entsorgungsstation, sowie Info-Tafel
Bäcker fußläufig im Ort erreichbar
Bahnverkehr ist hier nur wenig, also keine nennenswerte Ruhestörung

Gefahrene Strecke: 85 Kilometer

Dienstag, 11. Juni

Auch heute erwartet mich wieder ein hübsches Dorf: Lavaudieu. Hier will ich mir eigentlich das Kloster ansehen, aber leider ist dieses entgegen den Angaben meines (ansonsten sehr zuverlässigen) Reiseführers dienstags geschlossen. So spaziere ich durch die Gassen des schönen, aber leider recht leblosen Dorfes. Wie so oft, ist die Jugend weggezogen und das Dorf entwickelt sich langsam zum Freilichtmuseum. Sehr schade.

Anschließend fahre ich weiter nach Brioude. Hier steht eine Kirche im typischen Stil der auvergnatischen Romanik. Besonders beeindruckend sind die Wand- und Deckenmalereien auf der Empore und der aus Flusskieseln gestaltete Fußboden von St-Julien. Obwohl Brioude nicht zu den vier großen Hauptkirchen des Baustils gezählt wird, ist sie für mich die außergewöhnlichste und schönste. In der Stadt suche ich dann noch eine Pâtisserie auf, um zwei Tarteletts zu kaufen.

Auf der Weiterfahrt mache ich eine Pause, koche Milchkaffee und lasse mir die Tarteletts schmecken. Danach habe ich vermutlich einen Zuckerschock, ich würde gerne eine saure Gurke zum Ausgleich essen. 🙂 Das nächste Ziel ist Issoire, auch hier – wer hätte das gedacht?! – gibt es eine bedeutende Kirche. Mir gefällt sie allerdings so gar nicht mit ihrer quietschbunten Bemalung aus dem 19. Jahrhundert. In der Innenstadt trinke ich in einem salon de thé einen leckeren Assam-Tee und stöbere dabei durch ein Büchlein, das sich mit der Geschichte der Gärten befasst. Hier liegen überall Bücher, die man entweder nur lesen oder aber auch kaufen kann. Solche Lädchen mag ich, die mehrere Dinge vereinen. Im Raum nebenan ist auch noch ein Florist.

Jetzt habe auch ich erstmal genug von Kirchen und fahre weiter Richtung Clermont-Ferrand, der Hauptstadt der Auvergne. Doch zunächst geht es auf das Plateau von Gergovie, wo mit ziemlicher Sicherheit das antike Oppidum „Gergovia“ lag.

Gergovia war der Hauptort des keltischen Stammes der Arverner, von dem die Auvergne ihren Namen hat. Wer meine Beiträge über den Burgund-Trip aufmerksam gelesen hat, dem wird der Name bekannt vorkommen. Der Anführer der Arverner im Kampf gegen Cäsar war Vercingetorix. Und hier bei Gergovia ist es dem Kelten gelungen, den Römer in der Schlacht zu besiegen. Leider sein einziger Sieg, bei Alésia unterlag Vercingetorix und ging in die Gefangenschaft. Und ganz Gallien war von den Römern besetzt.

Vom Oppidum selbst gibt es nicht mehr viel zu sehen, nur noch Grundmauern der umlaufenden Befestigungsmauer. Das neu gebaute Ausstellungszentrum, das eigentlich schon längst eröffnet sein sollte, ist noch geschlossen. BER lässt grüßen. So spaziere ich ein wenig und genieße die Aussicht in die Ebene der Limagne. Von hier müsste ich eigentlich die Kette der „puys“, also die Vulkanberge sehen können. Aber Nebel und tief hängende Wolken versperren mir die Sicht in diese Richtung.

Nachdem ich feststellen musste, dass die Ladung meiner Zweitbatterie über die Lichtmaschine leider nicht ordnungsgemäß funktioniert, bin ich gezwungen, alle drei Tage an Landstrom zu kommen, um die Batterie zu laden. Heute suche ich mir also einen Campingplatz, in einem Vorort von Clermont-Ferrand. Ausnahmsweise brauche ich nicht selbst zu kochen, am Platz gibt es ein Restaurant, wo ich sogar eine lokale Spezialität bekomme: Truffade. Das Gericht besteht aus klein geschnittenen Kartoffeln mit geschmolzenem Cantal-Käse. Der hiesige Koch hat auch noch rohen Schinken dazu gegeben. Ein gehaltvolles Essen und richtig lecker! Wenn man die Kartoffeln püriert, bevor man den Käse hinzugibt, kocht man Aligote.

Cantal wird aus der Milch der für die Auvergne typischen Salers-Rinder hergestellt und darf den Namen nur tragen, wenn er aus dem Départment Cantal (und aus ein paar Nachbargemeinden in angrenzenden Départements) stammt. Er ist ein wunderbarer Bergkäse mit würzigem, aber nicht zu aufdringlichem Geschmack. Er lässt sich auch sehr gut zum Überbacken oder für Käsefondue verwenden.

Restaurant L’Escale Ceyrat
1 Rue du Camping
63122 Ceyrat
Homepage

Direkt am Eingand des Campingplatzes. Eher klein, modern eingerichtet. Vielfältige Karte und schöne Aussicht.

Übernachtung:
Campingplatz „Hotel de plein air Le Chanset“ ***
Rue du camping, 63122 Ceyrat
GPS-Koordinaten: 45.738747, 3.062517 oder 45°44’19.5″N 3°03’45.1″E
Homepage
Preis: 16,45 €

Ein ordentlicher Campingplatz mit Chalets und Mobilheimen. Saubere Sanitäranlagen. Backwaren können am Vortag in der Rezeption bestellt werden. Restaurant am Platz. Sehr nette Mitarbeiter.

Gefahrene Strecke: 125 Kilometer

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