Reisen ohne Camper – Wandern auf dem Jakobsweg: 1. Teil

Um gleich alle Hoffnungen zu zerschlagen: nein, ich war nicht in Spanien. 🙂

Den ersten Urlaub des Jahres verbrachte ich tatsächlich nicht in oder mit meinem Camper. Wie ich schon erwähnte, wandere ich auch sehr gerne. Angefixt durch meine beste Freundin habe ich vor zwei Jahren das Mehrtageswandern für mich entdeckt. Damals wanderten wir in ihrer Wahlheimat Finnland 82 Kilometer auf dem Karhunkierros-Trail durch den Oulanka Nationalpark. Zur Vorbereitung war ich einen Monat vorher vier Etappen des Moselsteigs (60 Kilometer) gewandert. Noch in Finnland kam mir die Idee, dass ich doch von zuhause bis zum Kölner Dom wandern könnte. Die Strecke liegt ungefähr bei 95 Kilometern. Und siehe da, es stellte sich heraus, dass es eine bestens markierte Trasse gibt: den Jakobsweg zwischen Marburg und Köln.

Die Jakobswege in ganz Europa werden seit einigen Jahren „wiederentdeckt“ und neu markiert. Von allen Enden des Kontinents haben sich vor allem im Mittelalter Pilger auf den Weg nach Santiago de Compostela gemacht, ob als Buße für Sünden oder ein Verbrechen oder als Glaubensbekenntnis. Nicht zuletzt durch das Buch „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling erlebt das Pilgern eine Renaissance. Heute gibt es noch vielfältigere Gründe, den „Camino“ zu begehen, für manchen ist es eine Sinnsuche, der andere sieht die sportliche Herausforderung.

Ich für meinen Teil plante zunächst eine Wanderung , sah also erst mal nur viel Bewegung und schöne Landschaften als Motivation. Je näher der Urlaub rückte, desto klarer wurde mir, dass dieser Weg aber auch spirituell geprägt sein würde. Das ging dann so weit, dass ich mir einen eigenen „Pilgerbrief“ anfertigte, auf dem ich die Pilgerstempel sammeln wollte.

Einen detaillierten Streckenverlauf kannst du auf outdooractive.com sehen.

Das Ziel Köln war natürlich nicht zufällig in den Fokus geraten. Wie ich an anderer Stelle schon erwähnte, liebe ich gotische Kirchenbauten. Und da ist doch klar, dass der Kölner Dom mein Favorit sein muss, die vollkommenste gotische Kathedrale französischer Bautradition. Außerdem reizte es mich, ein Gefühl dafür zu bekommen, was es für einen Menschen des Mittelalters bedeutete, vom Sauerland bis in die Metropole Köln zu reisen. Zugegeben: meine Unterkünfte waren wesentlich moderner und komfortabler! 😉

Jetzt aber genug der einleitenden Worte, ab geht’s in die Wälder von Siegerland, Wildenburger Land und Bergischem Land.

11. Juni 2018, Montag

Altenhof – Crottorf, 18,3 km

Mit meinem zwölf Kilo schweren Rucksack bepackt trete ich aus meiner Haustür und starte um halb neun die Wanderung, die mich innerhalb von fünf Tagen nach Köln führen soll. Der Morgen ist leicht neblig und kühl. Erste Station ist die Wallfahrtskapelle Dörnschlade, wo ich durch Entzünden einer Opferkerze Beistand von höheren Mächten erbitte – welche Macht auch immer sich da angesprochen fühlt. Ich wandere heute ein Stück auf dem Siegerland Höhenring (ein Rundwanderweg, der komplett um den Kreis Siegen-Wittgenstein herum führt). Ich gehe ausschließlich durch Wald und treffe nur sehr wenige Leute. Zwei Gassigänger grüßen freundlich, ich grüße zurück. Als ich schon an ihnen vorbei bin, meint der Mann, ich hätte anscheinend noch was vor, mit dem großen Rucksack. Wir kommen ins Gespräch über mein Woher und Wohin. Die Frau ist davon begeistert und fragt nach den Unterkünften. Ich habe ja alles vorab gebucht. Sie meint, sie wäre jederzeit bereit, Wanderer für eine Nacht aufzunehmen. Es ist toll, dass es solche Leute gibt! Viele Pilger gehen ja einfach drauflos und schauen nachmittags oder abends, wo sie ein Dach über’m Kopf finden. Die beiden wünschen mir einen guten Weg, ich danke herzlich.

Weiter geht es durch Wald, an der ehemaligen oranisch-nassauischen/kurkölnischen Grenze entlang. Dann überquere ich auf einer Brücke die A 45 („Sauerlandlinie“, die schönste Autobahnstrecke Deutschlands). Nun geht es den Löffelberg hinauf. Ich hoffe auf eine schöne Aussicht, leider werde ich enttäuscht, Büsche und Bäume versperren die Sicht. Weiter durch Wald und an schmalen Landstraßen entlang geht es Richtung Römershagen. Hier lege ich eine Mittagsrast auf einer Bank ein und genieße den leicht dunstigen Sonnenschein. Da ich hier ganz in der Nähe der Biggequelle bin, zweige ich kurz vom Weg ab und sehe mir diese an. Die Bigge ist zwischen Olpe und Attendorn aufgestaut. Diese Talsperre ist eines der schönsten Erholungsgebiete bei uns, Baden, Paddeln, Schwimmen, Segeln – für jeden bietet der große See etwas. Kaum zu glauben, wenn man das winzige Rinnsal sieht, dass da aus dem Boden sickert. 🙂

Wieder zurück auf den Siegerland Höhenring und nun hinein ins Wildenburger Land. Über Wildenburg Bahnhof geht es weiter durch Wald, dann kommt die Wildenburg ins Blickfeld. Das Wetter ist deutlich wärmer geworden, aber der Himmel immer noch nicht strahlend blau. Am Wegesrand steht eine kleine Kapelle, die dem Hl. Rochus geweiht ist. Leider ist sie verschlossen, so bleibt es bei einem kurzen Blick durch das vergitterte Fensterchen in der Tür. Ich komme heute so gut voran, dass ich viel zu früh an meiner Unterkunft ankommen werde. Ich hatte alles vorab gebucht, um nicht in den Orten erst lange nach einem Bett für die Nacht suchen zu müssen. In Crottorf wartet die einzige Pilgerherberge des Weges auf mich. Zunächst liegt aber noch ein Abstieg ins Tal vor mir, dann geht es wieder hinauf, weiter über ganz schmale Pfade durch Wald und wieder hinab, hier ist der Boden so feucht, dass ich aufpassen muss, nicht auszurutschen. Und schon bin ich in Crottorf angekommen, im Grunde lediglich ein Weiler, der nur aus dem Wasserschloss und dem Hotel gegenüber besteht. Die Schlossanlage kann von außen besichtigt werden. Die ansässige Grafenfamilie betreibt auch die Pilgerherberge, die in einem der ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäude untergebracht ist. Um dort zu übernachten, muss man Pilger sein und sich bei einer Mitarbeiterin der „Fingerhut Akademie“ melden. Die Akademie bietet verschiedene Kurse an, wie Sprachkurse und Yoga, und kümmert sich um die Pilger. Ich hatte bereits zwei Monate vorher erstmals Kontakt aufgenommen und mich für ca. 16 Uhr angemeldet. Nun ist es aber erst 14 Uhr!

Ich döse zunächst unter einem Baum auf einer Wiese und wandere dann noch zu einer Waldkapelle oberhalb des Schlosses. (Die Kapelle und das Schloss hatte ich erstmals bei einem Rundflug entdeckt, den ich 2010 vom Flugplatz Hünsborn aus gemacht habe. Daher stammt die Luftaufnahme.) Wieder zurück, rufe ich doch die freundliche Dame schon an und keine zehn Minuten später ist sie da. Sie begrüßt mich sehr freundlich, schließt auf und zeigt mir alles. Mir gefällt es hier auf Anhieb total gut, es ist ein altes Haus mit knarzenden Dielen, einfach verglasten Fenstern und einer hübsch zusammengewürfelten Einrichtung. Es gibt insgesamt drei Betten in zwei Zimmern, zwei Bäder (beide mit Badewanne!) und zwei Küchen. In der Küche kann man alles nutzen, Tee, Kaffee, Gewürze, auch das Mineralwasser steht zur Verfügung der Pilger. Fürs Frühstück finde ich eine reichliche Auswahl im Kühlschrank. Alles ist so wunderbar heimelig! Ich bedanke mich sehr herzlich bei der Dame, die dann wieder fährt. Nun habe ich die Räume für mich, später findet noch ein Yoga-Kurs statt, da könnte ich sogar mitmachen. Dafür bin ich aber zu kaputt. Erstmal duschen.

Ich verbringe den Abend gemütlich und bereite mir ein Trekking Meal zu, Makkaroni in Käsesoße. Dazu schütte ich einfach heißes Wasser in die Tüte und warte ein paar Minuten. Keine kulinarische Offenbarung, aber heiß und sättigend. (Leider hat das Hotel nebenan montags Ruhetag, deshalb musste ich mich hier selbst versorgen.) Dann trinke ich eine Tasse Tee und stöbere durch die Eintragungen des Gästebuches. Anschließend schmökere ich noch in einem der überall herumstehenden Bücher und lege mich dann schlafen.

Pilgerherberge der „Fingerhut Akademie“
Crottorf 6
51598 Friesenhagen
Homepage
(telefonische Voranmeldung erforderlich)
Preis für Übernachtung mit Frühstück: freiwillige Spende

12. Juni 2018, Dienstag

Crottorf – Wiehl 21,9 km

Nach einer traumreichen Nacht wache ich halbwegs erholt auf und bereite mir mein Frühstück in der gemütlichen Küche zu. Dann wird alles wieder gespült und weggeräumt. Nachdem der Rucksack wieder gepackt ist, schreibe ich mich noch ins Gästebuch der Herberge ein, setze den Pilgerstempel auf meinen Pilgerbrief und lege in die Pilgerkasse das Geld für die Übernachtung. Hier verlangt man keinen festen Preis, jeder Pilger kann nach seinem Ermessen eine Spende geben. Während ich noch damit beschäftigt bin, kommt eine andere Mitarbeiterin der Akademie an, begrüßt mich ebenfalls herzlich und warnt mich vor, dass gleich der Italienisch-Kurs anfängt. Kaum gesprochen, kommen die ersten Teilnehmer, fröhliches „Ciao“ und „Buon giorno“ schallt durch die Räume. Ich schultere wieder meinen Buddy und bin um viertel nach neun unterwegs. Nun verlasse ich den Siegerland Höhenring, ab jetzt folge ich nur noch der gelben Muschel auf blauem Grund oder den einfachen gelben Pfeilen. Ich bin auf dem Jakobsweg.

Heute regnet es leider immer wieder, meist nur leichter Nieselregen. Von Crottorf aus führt ein heftiger Anstieg auf die Höhe, wieder geht es durch Wälder mit verschiedenstem Bewuchs, mal eintönige und dunkle Fichtenwälder, dann wieder frischgrüne Laubwälder. Auch wieder häufig an schmalen Landstraßen entlang, wo glücklicherweise kaum Verkehr ist. Nicht lange und ich muss die Regenjacke ausziehen, ich schwitze wie in einer mobilen Sauna. Der Weg führt nun durch Erdingen, dann nochmal etwas Wald und dann muss ich eine dreispurige Kreisstraße überqueren – lieber etwas rennen, um da schnell wieder aus der Gefahrenzone zu kommen! Trotz einer verpassten Markierung kurz danach, finde ich wieder auf den richtigen Weg, der mich durch Dreslingen hinab ins Tal nach Denklingen führt. Hier war ich schon mal vor zwei Jahren, anlässlich eines Mittelalterfestes. Im Ort bin ich zunächst unentschlossen, ob ich mir etwas zu essen kaufe und später verspeise oder jetzt ein Lokal aufsuche. Schließlich kann ich mich für letzteres entscheiden und kehre im Denklinger Hof ein, wo ich mir einen großen Salat mit Putenstreifen schmecken lasse. Es tut gut, den Füßen mal Ruhe zu gönnen, leider entwickelt sich an meiner Ferse eine riesige Blase, die sich auch mit einem Blasenpflaster nicht eindämmen lässt.

Hotel – Restaurant „Denklinger Hof“
Hauptstr. 25
51580 Reichshof
Homepage

Nach einer Stunde der Mittagsrast geht es weiter, hinauf nach Eiershagen. Das Dorfensemble soll sehr schön sein und eine „Kaffeetrinkerlinde“ soll es auch zu sehen geben. Letztere sehe ich nicht, aber einige schöne Fachwerkhäuser mit schmucken Gärtchen schon. Aber ich bin ja auch nicht auf Sightseeingtour. Im Nachhinein betrachtet hätte ich mir für so etwas ruhig Zeit nehmen können. Ich habe das Problem, dass wenn ich erst mal im richtigen Laufrhythmus angekommen bin, nur schwer anhalten kann.

Der Weg führt nun beständig über Landstraßen. Hinter Rölefeld schleppe ich mich gerade eine kleine Anhöhe hinauf, als von hinten ein Auto kommt und neben mir hält. Ein älterer Mann fragt, ob er mich mitnehmen könne, er fahre runter nach Wiehl. Ich bin zunächst total perplex, da das ja tatsächlich mein heutiges Ziel ist. Was für ein nettes Angebot! Da ich aber ein bisschen ehrgeizig bin :-), möchte ich den Weg zu Fuß schaffen, was ich dem netten Herrn dann auch erkläre. Der meint darauf hin: „gut, aber dann gebe ich dir wenigstens ein bisschen Wegzehrung mit“ – und drückt mir zwei Menthol-Bonbons in die Hand. Ich danke überschwänglich und er fährt davon. Was für eine nette Begegnung! Mit deutlich gehobener Stimmung geht es weiter. In der Ferne kann ich das Homburger Schloss sehen. Ich bin nun auf der Brüderstraße unterwegs, ein Pilger-, Handels- und Reiseweg, der vermutlich schon seit zweitausend, sicher aber seit tausend Jahren genutzt wird. Ich versuche mir vorzustellen, wie es hier vor achthundert Jahren ausgesehen haben mag. Wie man sich als mittelalterlicher Reisender fühlte. Doch diese Überlegungen kann ich heute nicht ausreichend vertiefen, meine Füße machen mir leider schwer zu schaffen.

Ich komme durch Oberbierenbach, übersehe leider wieder eine Markierung, muss aber nur ein kurzes Stück zurück. Dann geht es weiter nach Bierenbachtal (das in meinem Wanderführer seltsamerweise Niederbierenbach heißt). Hier ist die Markierung ein wenig verwirrend, ich gehe zunächst falsch und verliere langsam die Geduld. Doch ich finde den richtigen Weg, ein schmaler Pfad am Waldrand führt hinab in ein kleines Tal und durch ein Feld direkt wieder hinauf. Auf der Höhe geht es wieder an einer schmalen Straße entlang, bevor der Jakobsweg wieder in den Wald führt. Ich möchte wirklich mal langsam ankommen, meine Füße machen mich fertig. Ich lege eine kurze Rast auf einer Bank ein und  schaue auf die Karte – oh nein! Ich bin zu weit gegangen! Der Abzweig nach Wiehl liegt hinter mir. Hmpf, ok, dann also zurück. Glücklicherweise nur ungefähr ein Kilometer.

Nun geht es hinab nach Wiehl, vorbei an der Tropfsteinhöhle, dann durch ein Wohngebiet, an dessen Rand die Jugendherberge liegt. Endlich! Um 17 Uhr erreiche ich meine heutige Unterkunft. Ich hatte nur Übernachtung mit Frühstück gebucht und frage nun, ob ich kurzfristig noch ein Abendessen dazu buchen kann. Kein Problem, sind nur fünf Euro mehr. Super! Hinunter in die Stadt schaffe ich es jetzt nicht mehr. Nach dem Abendessen hole ich mir an der Rezeption noch den Stempelabdruck für meinen Pilgerbrief ab.

Nach einer wohltuenden Dusche und der Verarztung meiner Blase lasse ich den Abend ausklingen und lege mich früh schlafen. Die lärmende Schulklasse draußen und unter mir im Aufenthaltsraum stört mich gar nicht.

Jugendherberge Wiehl
An der Krähenhardt 6
51647 Wiehl
Homepage
Preis für Halbpension: 34,40 €

13. Juni 2018, Mittwoch

Wiehl – Marialinden, 20,1 km

In der Jugendherberge muss man das Zimmer bis acht Uhr räumen, deshalb nix mit Ausschlafen. 🙂 Nach einem kräftigenden Frühstück mit einer großen Portion Müsli geht es wieder auf den Weg, zunächst wieder bergan, an der Tropfsteinhöhle vorbei, um zurück auf den Jakobsweg zu kommen. Ich gehe den gestrigen Zuviel-Kilometer zum zweiten Mal. Hinter mir tauchen vier Reiterinnen auf, die mich dann überholen. Sie warnen sogar, dass vier Pferde in Anmarsch sind. Glücklicherweise habe ich vor Pferden keine Angst (mehr). 🙂 Auch heute zeigt sich das Wetter nicht von seiner besten Seite, es ist bedeckt und kühl. Aber wenigstens trocken.

Weiter geht es auf der Brüderstraße, leider auch oft asphaltierte Wege. Wie bei alten Wegen üblich, verläuft die Brüderstraße auf der Höhe, man hat weite Ausblicke. Zwischendurch kann man im Wald Hohlwege erkennen, das sind die alten Wegverläufe, die sich durch die häufige Nutzung tief in die Landschaft gegraben haben. War ein Weg zu tief geworden, wurde daneben ein neuer Weg begangen. Hier kann ich meine Gedanken wieder auf meine mittelalterlichen Vorgänger richten, die mit einfachen Lederschuhen über steinige Wege laufen mussten, nur das Nötigste dabei hatten und immer hoffen mussten, in einem Gasthaus abends eine Schlafstätte zu erhalten. Vor meinem inneren Auge tut sich ein buntes Treiben auf der Brüderstraße auf, bestehend aus Ochsenkarren, Pilgern, Händlern und Reisenden, Menschen jeden Alters. Damals war man allerdings besser zu Fuß als ich heute. Ich habe für die Tagesetappen maximal 22 Kilometer angesetzt. Im Mittelalter waren 30 bis 35 Kilometer Tagesleistung normal. Bis zu solch einer Marschleistung muss ich noch weiter trainieren! 😀

Etwas später kommt in einem Waldstück von der Seite ein Trecker angefahren, der auf den Wanderweg einbiegt, mir entgegen. Erstmal ja nichts Besonderes. Aber die Besatzung erheitert mich dann doch vortrefflich. 😀 Am Steuer sitzt Mama, wirkt recht unsicher, daneben steht Papa und gibt Anweisungen. Offensichtlich Mamas erste Trecker-Fahrstunde. Das Besondere ist aber der dritte Passagier, auf dem Sitz über dem großen Hinterrad: ein etwa neun Monate altes Kind im Maxi-Cosi! Leider sind sie schon im nächsten Moment an mir vorbei, sodass ich kein Foto machen kann. Was für ein Bild! Familienausflug mal anders! 😀

Weiter geht es über den Höhenweg, immer der gelben Muschel nach. Mit schönen Ausblicken kommt aber leider auch ein starker Wind, ich muss ein Stirnband anlegen, um meine Ohren zu schützen. Nun erreiche ich Drabenderhöhe. In einer Bäckerei hole ich mir ein belegtes Brötchen für die Mittagsrast. Dann die erste (offene) Kirche des Pilgerweges. Der Kirchenraum ist schlicht, aber dennoch sehr schön. Die Apsismalerei zeigt ein typisches Motiv, das man auch in den romanischen Wandmalereien von Wormbach und Berghausen (beide im Schmallenberger Sauerland) sehen kann. Da diese Kirche hier evangelisch ist, erwarte ich keinen Pilgerstempel. Beim Hinausgehen entdecke ich aber doch einen und freue mich riesig! Später lese ich nach, dass der Jakobsweg von Marburg nach Köln (in der Gegenrichtung heißt er Elisabethpfad) ein ökumenischer Pilgerweg ist.

Nachdem ich den Ort wieder verlassen habe, komme ich an einer Koppel vorbei, wo ein Pony auf mich zugelaufen kommt. Offenbar benötigt es gerade etwas Zuwendung. Ich bleibe stehen und streichle es. Dann fällt mir ein, dass ich noch eine Birne im Rucksack habe, die ich ohnehin nicht mehr vorhabe zu essen. So darf sich das Huftier daran laben. Und ich glaube, sie schmeckt ihm recht gut. 🙂 Nun aber weiter, wieder sind rechts und links im Wald die alten Hohlwege zu sehen. Dann geht es über eine Asphaltstraße an einer größeren Wohnsiedlung am Waldrand vorbei. Vom kleinen Holzhäuschen bis zu fast herrschaftlichen Anwesen ist hier alles zu bestaunen. Am Ende der Siedlung steht schon ein Hinweisschild auf meine nächste Unterkunft. Demnach ist es noch circa eine Stunde Weg.

Nun erreiche ich Federath und lege einen Stopp in der kleinen Kirche ein. Diese beherbergt ein besonderes Kruzifix. Mir gefallen die Fenster der Apsis. Natürlich gibt es auch hier einen Pilgerstempel. Und sogar ein Pilgerbuch. Dieses nehme ich mir, setze mich auf eine der Kirchenbänke und schmökere durch die Einträge. Besonders einer bleibt mir im Gedächtnis haften. Ein Pilger äußert seine Enttäuschung, dass die Kirchengemeinden am Weg sich gar nicht engagieren. Es gäbe keine Möglichkeit einer Schlafstätte, meist sei nicht mal jemand anzutreffen. Die traditionelle Schlafstätte für Pilger sei wohl die Orgelempore. Stelle ich mir gemütlich vor. Irgendwie hat er schon recht. Es wäre schön, wenn man einfach drauflos laufen und sich sicher sein könnte, stets ein Dach über dem Kopf für die Nacht zu finden, wenn man an eine Kirchentüre klopft. In dieser Form ist das wohl nur in Spanien möglich, dort ist die Infrastruktur für Pilger ja eine ganz andere. Ich habe bisher auf meinem Weg keinen anderen Pilger angetroffen. In Crottorf hat wohl in der Nacht, bevor ich dort war, ein Pärchen übernachtet, die in der Gegenrichtung nach Marburg unterwegs waren.

Während ich so lese, merke ich plötzlich, dass ich total ausgekühlt bin. So ziehe ich mich erst mal warm an und esse dann – vor der Kirche – mein belegtes Brötchen. Damit mir wieder warm wird, mache ich mich wieder auf den Weg. Auch heute habe ich Schwierigkeiten, ein schmerzhaftes Ziehen im linken Schienbein. Aber es nützt nichts, ich muss weiter. Nun geht es stets an einer schmalen Landstraße entlang, immerhin mit Randstreifen, der später in einen Fahrradweg über geht. Und schon sehe ich die Doppeltürme der Kirche von Marialinden. Das gibt nochmal Aufwind!

Um 13:40 Uhr erreiche ich das Gasthaus „Bergischer Hof“. Nach dem Bezug meines Zimmers (das erst letztes Jahr renoviert worden ist), lasse ich mir im Restaurant eine Bergische Waffel schmecken. Mmmh, lecker! Dann gibt es eine Ruhepause im Zimmer. Gegenüber des Hotels ist ein kleiner Supermarkt, wo ich neues Wasser und Kekse kaufe. In Crottorf und Wiehl hatte ich meine Wasservorräte aus dem Wasserhahn bestritten, jetzt habe ich doch mal wieder Lust auf mein Lieblingswasser aus der Auvergne. Abends esse ich ebenfalls im Restaurant des „Bergischen Hofs“, der Weg ist unschlagbar kurz. 😉 Das Essen schmeckt hervorragend!

Auch heute geht es früh ins Bett. Trotz kleinerer Zipperlein fühle ich mich heute nicht mehr so kaputt, auch die Hüfte und die Schultern schmerzen nicht mehr vom schweren Rucksack. Endlich tritt der Gewöhnungseffekt ein.

Landhotel – Restaurant – Café „Bergischer Hof“
Pilgerstr. 64
51491 Overath
Homepage
Preis für Übernachtung mit Frühstück: 75,00 €

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