Sonntag, 11. September 2022
Die Nächte im Zelt sind immernoch ungewohnt, aber dieses Mal habe ich wenigstens mal lange am Stück geschlafen. Noch bevor es richtig hell ist, stehe ich auf und baue das Zelt ab. Dann hole ich von der Rezeption meine vorbestellten Croissants und einen Kaffee und lasse mir beides am Picknicktisch, auf dem mein gepackter Buddy liegt, schmecken. Auf zur nächsten Etappe, die heute mit 26 Kilometern zu den längeren gehört.
Zunächst wieder über die Brücke auf die andere Seite der Mosel, durch Weinberge geht es nach Arnaville. Dieser Ort wirkt sehr verschlafen, aber irgendwie auch nett. Der Weg führt dann wieder am Wasser entlang, in Pagny-sur-Moselle sehe ich auf einer Sportanlage sehr viele Menschen jeden Alters pétanque spielen.
Pétanque ist eine Unterart des Boule. Boule ist der Oberbegriff für alle französischen Kugel-Spiele. Beim Pétanque ist das Besondere, dass kein Anlauf genommen wird, man also aus dem Stand spielt. Das Spiel, das man sehr häufig auch in Deutschland in Parks beobachten kann, ist also strenggenommen das aus Südfrankreich stammende Pétanque.
Nach einem langen Stück fast nur geradeaus am Wasser entlang biegt der Weg bei Vandières vom Fluss ab und führt mich bergan. Gegen Mittag erreiche ich einen wunderbaren Rastplatz mit mehreren Bänken, von dem aus ich zurück ins Moseltal blicken kann. Perfekt, hier gibt es jetzt eine Jause! Nach fast einer Stunde Pause geht es weiter und ich entschließe mich, den Abstecher zum Menhir la Pierre au Jô zu machen. Dazu muss ich im Ort Norroy-lès-Pont-à-Mousson rechter Hand steil den Berg hinauf. In einem Wäldchen hinter dem Sportplatz steht die Steinsäule.
Der Menhir la Pierre au Jô ist 2,5 Meter hoch, besteht aus Kalkstein und die Seitenflächen seiner Quaderform sind nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet. Er ist der einzige bekannte Menhir in Lothringen und soll bereits seit 4000 bis 6000 Jahren hier stehen.
Da sich keine mystische Offenbarung einstellt, nehme ich meinen Weg wieder auf. Zurück in den Ort und dann in den Wald. Hier finden sich einige Gebäuderuinen, die von Efeu überwuchert sehr verwunschen wirken. Von den folgenden hochgelegenen Feldern aus kann ich schon mein heutiges Ziel sehen: die ehemalige Prämonstratenser-Abtei in Pont-à-Mousson. Zunächst geht es aber hinab nach Montauville. Strenggenommen liegt Pont-à-Mousson gar nicht am Jakobsweg, es ist also ein Abstecher. Den mache ich aber gerne, da ich die Stadt 2011 bereits durchfahren habe und damals keine Zeit hatte, sie mir anzusehen.
An der Straße entlang geht es ins Zentrum von Pont-à-Mousson, die place Duroc ist mir noch gut im Gedächtnis – ein großer dreieckiger Platz, Kopfsteinpflaster, der Verkehr rollt direkt darüber. Inzwischen klart der Himmel auf und die Sonne scheint etwas, aber den Platz macht sie nicht unbedingt schöner. Er ist mit parkenden Autos vollgestellt und ich kann keine Cafés oder Teesalons ausmachen. Hatte ich mir irgendwie netter vorgestellt.
Die place Duroc wird gesäumt von Häusern des 16. bis 20. Jahrhunderts und weist die größte Renaissance-Arkadengruppe in Lothringen auf. In der Mitte steht ein Brunnen.
Die schöne gotische Kirche Saint Martin auf dem anderen Moselufer ist auch verschlossen, schade. So gehe ich also doch schon zum Hotel – das in der ehemaligen Abtei untergebracht ist. Die Anlage thront beeindruckend über dem Fluss. Für Pilger gibt es einen Sonderpreis, der etwas günstiger ist.
Nachdem ich mich kurz frisch gemacht habe, schaue ich mir die ehemalige Klosteranlage an. Die Kirche wird als Konzertsaal genutzt und in den vier Gängen des Kreuzgangs finden Ausstellungen statt. Denn die ehemalige Abtei ist nicht nur Hotel, sondern auch Kulturzentrum. Auch die Gärten schaue ich mir an. Die Abendsonne lässt den leicht gelblichen Baustein aufleuchten. Interessant, dass der ehemalige Chorraum der Kirche nach Westen ausgerichtet ist, üblicherweise geht er nach Osten.
Für das Abendessen gehe ich aus und bekomme im vorab recherchierten Restaurant sogar noch einen Tisch. Das Gericht schmeckt wunderbar, ebenso wie der Gewürztraminer, den ich dazu trinke. Zum Dessert probiere ich erstmals profiteroles. Muss ich nicht nochmal haben … es sind sozusagen Mini-Windbeutel mit einer Füllung aus Vanilleeis und übergossen mit Schokoladensoße. Danach bin ich pappsatt.
Le Petit Gourmandin
64 Rue Gambetta
FR-54700 Pont-à-Mousson
GPS: 48.905946950849376, 6.060416808296355
Website
Bodenständige, kreativ umgesetzte Küche in urigem Ambiente. Bei schönem Wetter sogar lauschig auf der Terrasse. Der Service war gut und auch als Einzelgast habe ich mich gewertschätzt gefühlt.
Übernachtung:
Abbaye des Prémontrés
9 rue Saint Martin
FR-54700 Pont-à-Mousson
GPS : 48.907909, 6.056592
Website
Preis: 89,00 € Ü/F
Die Klosteranlage aus dem 18. Jahrhundert bietet ein tolles Ambiente für ein Hotel. Die Zimmer gibt es in unterschiedlichen Ausstattungsvarianten, ich hatte eines der einfacheren. Aber immerhin mit kleiner Küchenzeile. Das Frühstück im ehemaligen Speisesaal der Mönche bietet eine solide Auswahl. Als Hotelgast hat man freien Zutritt zum gesamten Gebäude, zu den Ausstellungen und zum Garten.
Montag, 12. September 2022
Ich freue mich riesig auf das Frühstück – denn es wird im ehemaligen Refektorium, also dem Speisesaal der Mönche, serviert. Und zumindest ich halte mich an die mönchische Regel, dass beim Essen nicht gesprochen wird – gut, ist auch ziemlich einfach, wenn man allein unterwegs ist. 😉
Der Morgen ist frisch und über dem Fluss wabert Nebel – eine wunderbare Stimmung! In der Innenstadt treffe ich zum allerersten Mal auf einen anderen aktiven Pilger, wir überqueren die Straße in entgegengesetzter Richtung und wünschen uns „Buen Camino„. Durch die Jakobsmuschel am Rucksack erkennen Pilger sich natürlich sehr schnell. Ich freue mich, endlich mal nicht die einzige Pilgerin auf dem Weg zu sein.
Heute steht die längste Etappe an und sie führt weitgehend abseits der Mosel durch Wälder und Felder. Hinter Jézainville finde ich einen perfekten Platz für die Mittagspause mit bestem Blick ins Moseltal. Eine Infotafel verrät mir, dass dort unten mal eine römische Siedlung gelegen hat. Die Mosel kann sich hier sehr weit ausbreiten und bildet fast so etwas wie Seen. Während ich schmause, kommt der Pilger von eben vorbei und wir kommen ins Gespräch. Oliver ist Deutscher und auch von Trier aus unterwegs, er will in seiner diesjährigen Etappe Vézelay erreichen. Ich gerate ins Schwärmen über die dortige Kirche Sainte-Marie-Madeleine. Da auch er heute bis Liverdun läuft, werden wir uns später noch mal treffen.
Nun erreiche ich Dieulouard und bin hocherfreut: die Kirche des Ortes ist geöffnet, es gibt Opferkerzen, ein Pilgerbuch und einen Stempel!!! Mein Pilgerbrief ist bisher noch recht mager gefüllt. Und eine schöne Krypta hat das Gotteshaus auch noch zu bieten. Pilgerherz, was willst du mehr! In sengender Hitze geht es nun durch eine Wohnsiedlung und Felder wieder in einen Wald. Die letzten Kilometer ziehen sich mal wieder wie Kaugummi, doch dann habe ich endlich die pittoreske Altstadt von Liverdun erreicht.
Auch hier war ich 2011 und hätte mich fast festgefahren mit meinem Kastenwagen. Ich war versehentlich in die Altstadt hinein gefahren, die Gassen wurden immer schmaler. Ich dachte nur, bloß raus hier! Um an einer engen Kreuzung rechts abzubiegen, musste ich sogar rückwärts am Berg anfahren, um etwas ausholen zu können. Das war damals sehr aufregend, aber ich und mein Gefährt kamen heil wieder raus. Und ich werde Liverdun niemals vergessen!
In lauschigen Eckchen liegen Katzen auf weichen Kissen und Decken. Ich störe sie lieber nicht, sondern freue mich an ihrer puren Zufriedenheit. Die Kirche des süßen, aber verschlafenen Städtchens ist zwar offen, aber einen Stempel finde ich nicht. Gegenüber ist das Touristenbüro, aber ich komme nicht auf die Idee, dort hinein zu gehen. Ich möchte eigentlich nur noch den Campingplatz erreichen. Der liegt unten am Moselufer, deshalb geht es bergab, unter der Bahn hindurch und an Schrebergärten vorbei. Die Dame an der Rezeption ist sehr nett, ich bekomme ein kleines Plätzchen für mein Zelt und einen Kaffee. Außerdem hat sie Pilgeraufkleber – mal was Neues!
Nachdem das Zelt aufgebaut ist und ich erfolglos nach Hotels für meine nächste Übernachtung in Toul gesucht habe, rufe ich den Pilgerkollegen Oliver an. Wir treffen uns in der einzigen heute geöffneten Gastronomie: ein Pizza-Service.
Tempio Pizzeria Liverdun
53 Rue de la Gare
FR-54460 Liverdun
GPS: 48.74982511520704, 6.066194603005857
Website
Ein schicker Imbiss mit Stehtischen/Barhockern, die Pizza schmeckt sehr gut und war schnell fertig.
Auf das erste Bier lädt er mich ein, ist wohl Ehrensache unter Pilgern. Ich bin da ja noch ganz unerfahren. 🙂 Wir unterhalten uns prächtig, haben viele gleiche Interessen. Auch er hat noch keine Unterkunft in Toul, es gäbe nur eine Art Ferienwohnung und ein ziemlich teures Zimmer in der Innenstadt. Wir warten beide ab, was sich morgen ergibt. Da wir beide kaputt von der langen Etappe sind, verabschieden wir uns nach dem Essen recht schnell. Was für ein netter Abend!
Übernachtung:
Camping „Les Boucles de la Moselle“
7 Avenue Eugène Lerebourg
FR-54460 Liverdun
GPS: 48.74731803883931, 6.057025337475394
Website
Preis: 12,80 €
Kleiner, aber feiner Campingplatz direkt an der Mosel unterhalb der Altstadt von Liverdun. Viele große Bäume spenden Schatten. Die Sanitäranlagen sind solide und sauber. Leider war bei meinem Aufenthalt die Gastronomie am Platz geschlossen, wegen fehlendem Personal. Die Bahnlinie, die neben dem Platz die Mosel überquert, kann man nachts recht gut hören.
Dienstag, 13. September 2022
Das Übliche: Zelt abbauen, Frühstück in der Rezeption abholen und dann davor genießen. Wo es gestern noch so schön sonnig war, herrscht heute Schleierbewölkung vor. Die Mosel ist spiegelglatt, so werde ich durch ein schönes Fotomotiv sogar mit der Bahnbrücke versöhnt. Noch ein kurzes Stück am Fluss entlang, dann geht es durch Felder wieder auf die Höhe. In Villey-Saint-Etienne will ich mir den Pilgerstempel in der mairie (Bürgermeisteramt) abholen, mein Pilgerführer hat mich darauf hingewiesen.
Der Ort an sich ist irgendwie schon total nett und was ich dann erlebe, bleibt mir hoffentlich ewig im Gedächtnis. Schon das Gebäude ist besonders, es wirkt wie eine kleine Burg. Die nette Dame im Büro stempelt meinen Pilgerbrief und fragt mich dann, ob ich einen Kaffee trinken möchte. Da bin ich keineswegs abgeneigt und sage ja. Sie bittet mich durch eine Tür in den Garten hinter dem Gebäude, wo ein kleiner Pavillon in der Mitte von Buchshecken und Rosen steht, darunter eine Sitzgarnitur. Hier darf ich Platz nehmen und bekomme dann eine Tasse Kaffee und ein Glas Wasser. Die Angestellte unterhält sich mit mir, über woher und wohin und wir kommen auf das Thema Sprachen. Ich fühle mich hier richtig gut umsorgt. Dann kommt auch noch zufällig die „Pilgerbeauftragte“ des Ortes vorbei und löst die Dame aus dem Büro ab, auch mit ihr unterhalte ich mich gut. Ich könnte hier noch ewig sitzen, aber die mairie schließt jetzt, deshalb muss ich dieses kleine Paradies verlassen. Nicht, ohne immer wieder meine Dankbarkeit zu äußern für diese wunderbare Aufnahme!
Voll innerer Freude tänzele ich fast weiter und folge dem Weg durch einen großen Wald, wo ich auch meine Essenspause halte. Dann folgt ein Stück durch ein Gewerbegebiet, ehe ich den Festungsgürtel von Toul erreiche. Auch diese Stadt kenne ich bereits, auf meiner Tour ins Burgund 2017 habe ich hier eine ausgiebige Pause am Anreisetag gemacht. Der erste Weg führt ins OdT, dort bekomme ich einen Stempel und frage nach weiteren Hotels, wo ich unterkommen könnte. Leider kann mir die Dame bei letzterem nicht weiterhelfen. Immerhin kann sie mich darüber aufklären, dass die Privatunterkünfte, die auf meiner Liste des OdT aus Sierck stehen, inzwischen nicht mehr bestehen.
Dann sehe ich mir die imposante Kathedrale von Toul, Saint-Étienne, an.
Gebaut vom 13. bis ins 15. Jahrhundert, ist Saint-Étienne ein herausragendes Beispiel der Gotik, insbesondere an der Westfassade in seiner Spielart „Flamboyant“. Der Kreuzgang ist erhalten und ist einer der größten der Gotik. Alles wirkt harmonisch und heiter und erstaunlich „frisch“. Das mag auch damit zusammenhängen, dass die Restaurierungsarbeiten nach den Weltkriegschäden erst in den 2000er Jahren zuende geführt werden konnten.
Auch hier bekomme ich am Infostand einen Stempel. Als ich mich dem Chor nähere, höre ich leise Musik: das „lux aeterna“ aus Mozarts Reqieum. Wie schön! Nun kehre ich am „Platz der Drei Bistümer“ in einem Café ein und stärke mich mit einer Apfeltarte und Kaffee. Anschließend entdecke ich eine Kirche mit einem sehr beeindruckenden Kreuzgang, Saint-Gengoult. Flamboyant ein Reinform.
Doch nun muss ich mal langsam meine Übernachtungsmöglichkeit klären. Nach vielem Suchen und Versuchen rufe ich bei Oliver an. Er hatte heute morgen per SMS mitgeteilt, dass er die Ferienwohnung gebucht hat und mir angeboten, dass ich dazu kommen könnte, es gibt zwei separate Schlafzimmer. Leider erreiche ich ihn nicht und so miete ich mich dann doch in das teure Zimmer ein, das eigentlich ein Familienzimmer ist und das ich nun allein belege. Später ruft Oliver zurück, sein Handyakku war leer. Hatte mir schon sowas gedacht. Nun ja, wir lassen alles, wie es ist und wünschen uns gegenseitig eine gesunde Ankunft am jeweiligen Zielort. Oliver will zwei Nächte in Toul bleiben, während es für mich morgen weiter geht. Ich fand es toll, endlich mal Kontakt zu einem anderen aktiven Pilger zu haben!
Für das Abendessen muss ich nicht lange Suchen. Vom Hotelfenster habe ich gegenüber ein Restaurant entdeckt, wo groß dransteht, dass es heute Abend geöffnet ist. Beim Studium des Menüs, das draußen angeschlagen ist, bleibt kein Zweifel: hier bekomme ich was Feines. Das Hauptgericht ist irgendwas mit Julienne und ich denke an gestifteltes Gemüse. Tatsächlich ist es Fisch, eigentlich ja nicht so meins. Aber dieser hier mit Orangensoße ist wirklich lecker – und grätenfrei. Also, öfter mal überraschen lassen!
Restaurant Ô P’tit Bois
16 Rue Gambetta
FR-54200 Toul
GPS: 48.67401157081393, 5.888363097712371
Website
Modernes, gemütliches Ambiente, sehr nettes Personal und das Essen … fantastisch! Ich verstand nicht unbedingt jedes Wort auf der Speisekarte und wurde an manchen Stellen überrascht. Aber alles schmeckte hervorragend und war ansprechend präsentiert!
Nach dem Essen streife ich noch durch die Gassen der nun illuminierten Stadt. Die Westfassade von Saint-Étienne ist im Dunkeln noch viel schöner.
Übernachtung:
Hôtel La Villa Lorraine**
15 Rue Gambetta
FR-54200 Toul
GPS: 48.673900386261806, 5.88835038651279
Website
Preis: 149,50 € Ü/F (Familienzimmer)
Hübsche Zimmer in einem schönen Altbau mit knarzendem Parkett. Leider konnte ich nur noch das recht teure Familienzimmer nehmen, was anderes war nicht mehr frei. Das Frühstück sollte ab sieben sein, es dauerte aber bis viertel nach sieben, bis alles zur Verfügung stand. Ich muss wohl meine deutsche Sichtweise ein wenig anpassen …
Mittwoch, 14. September 2022
Heute werde ich das Moseltal verlassen und hinüber ins Tal der Maas wechseln, auf französisch heißt der Fluss Meuse. Bevor ich Toul verlasse, kaufe ich auf dem Markt auf dem Platz der Drei Bistümer noch meinen Proviant ein. Durch den Vorort Écouvres geht es weiter durch Felder und in einen Wald. Hier beginnt der Aufstieg auf den Höhenrücken, der die beiden Flusstäler voneinander trennt. Ich befinde mich nun auf dem „sentier Jeanne d’Arc„, einem Wanderweg, der Toul und Vaucouleurs miteinander verbindet. Später führt der Weg über fünf Kilometer fast stetig schnurgerade auf breitem, glattem Schotterweg durch den Wald – langweiliger geht’s ja kaum noch! So unternehme ich Gedankenreisen und nehme nur am Rande die Geräusche der Waldarbeiter wahr, die irgendwo im Dickicht der Bäume werkeln. Auch Bänke gibt es hier weit und breit keine.
Gegen Mittag überquere ich die Grenze zwischen den départements Meurthe-et-Moselle und Meuse, gekennzeichnet durch einen schönen Grenzstein mitten am Weg. Jetzt ist der Wald auch wieder etwas „interessanter“. Dennoch freue ich mich, als ich aus dem Wald heraus trete und eine weite Hügellandschaft vor mir sehe.
Im Örtchen Rigny Saint Martin ist die hübsche kleine Rundkirche geöffnet, dort findet sich auch ein modernes Fenster mit einer Jakobus-Darstellung. Ein Stempel jedoch leider wieder nicht. Da ich inzwischen sehr dringend eine Pause brauche, nutze ich die steinerne Bank vor dem Kirchenmäuerchen, esse die leckeren Sachen vom Markt und ruhe aus. Anscheinend sehe ich sehr mitleiderregend oder kaputt aus, denn eine Anwohnerin, die gerade mit dem Auto vorfährt, fragt mich, ob ich Hilfe bräuchte. Neinein, alles gut, ich mache nur Pause. Obwohl ich jetzt viel für einen Kaffee geben würde … aber das denke ich mir nur. 🙂
Nun ist es nicht mehr weit, ein letzter Hügel will überquert werden und schon sehe ich das Maastal vor mir. Diesseits des Flusses liegt Chalaines, mein heutiges Ziel, und jenseits Vaucouleurs. Jeder, der sich auch nur ein bisschen für Jeanne d’Arc bzw. Johanna von Orléans interessiert, wird wissen, dass das ein geschichtsträchtiger Ort ist. Über einen Feldweg erreiche ich den diesseitigen Ort und finde ohne Probleme die Pilgerherberge von Pascale, mit der ich gestern bereits ein sehr nettes Telefongespräch geführt habe. Sie führt mich direkt in das süße Zimmer, das neben Mini-Kühlschrank, Mikrowelle und Fußsprudelbad auch über eine kleine Bibliothek mit Büchern und Zeitschriften übers Pilgern verfügt. Ich fühle mich auf Anhieb pudelwohl! Und ein wenig an meine allererste Pilgerherberge auf der allerersten Etappe von zuhause nach Köln erinnert … Während draußen ein kräftiger Regenschauer nieder geht, trinke ich eine Tasse Tee und ruhe mich aus.
Da heute keine Restaurants offen haben, hat Pascale mir geraten, ich solle mir im Supermarkt drüben in Vaucouleurs was holen, was ich hier in der Mikrowelle warm machen kann. Und diesem Rat folge ich dann auch, inzwischen scheint wieder die Sonne. So komme ich in die Stadt, wo der Lebensweg des Mädchens Jeanne aus Domrémy sich so schicksalhaft änderte … und mache schnöde Einkäufe. Jedoch weiß ich bereits jetzt, dass ich ohnehin einmal eine Reise auf Jeannes Spuren machen werde, dann werde ich alle wichtigen Orte und Stationen ihres Lebens besuchen. (Diese Reise konnte ich 2024 endlich realisieren.)
Im Zimmer mache ich das Nudelgericht warm und esse gemütlich zu Abend. Danach verliere ich mich in einer Pilgerzeitschrift, die mich schon von den Etappenzielen der nächsten Jahre träumen lässt …
Übernachtung:
Gîte et chambres d’hôtes MANGIN / Ferme pédagogique de Rouvau
1 Rue du Château
FR-55140 Chalaines
GPS: 48.60267535069284, 5.681487409809131
Website
Preis: 40,00 € Ü/F
Einfach fantastisch, diese Unterkunft! Sehr ordentliche, saubere Zimmer mit umfassender Ausstattung, die die speziellen Bedürfnisse von Pilgern berücksichtigen. Die Gastgeberin ist sehr nett und herzlich, man fühlt sich wirklich willkommmen. Das Frühstück ist typisch französisch schlicht: Kaffee und Baguette mit Konfitüre – die ist aber natürlich selbstgemacht! Und es wird am riesigen Eichentisch in der Küche der Familie eingenommen.