Mittwoch, 7. September 2022
Auch hier im Hotel in Kédange erhalte ich einen sehr schönen Pilgerstempel mit Muschelmotiv. Nach einem kräftigenden Frühstück geht es wieder auf den Camino, heute ist es wolkiger und kühler als gestern. Im nächsten Ort Hombourg-Boudange kaufe ich in einem gut sortierten tabac ein paar Lebensmittel. Nun muss ich ein langes Stück an einer Landstraße entlang, von oben kommen jetzt auch ein paar Tropfen. Premiere für den Poncho in Kombination mit dem großen Rucksack! Mit dem richtigen Schwung schaffe ich es, das wasserdichte Gewand über mich und meinen Buddy zu werfen.
Hinter dem Örtchen Aboncourt wechselt der Wegbelag zu sehr grobem Schotter, von dem meine Füße nicht so recht begeistert sind. In Saint-Hubert finde ich einen perfekten Platz für die Mittagsrast: mitten in dem Dörfchen ist ein überdachter Platz mit Picknicktischen direkt neben einem Spielplatz. Ich lasse mich nieder und packe meine Leckereien aus. Nun weichen die Wolken auch ein bisschen und die Sonne blinzelt herab. Da kommt ein Wanderpärchen und gesellt sich zu mir an den Tisch, wir kommen direkt ins Gespräch. Sie und er kommen aus den Niederlanden und laufen den Weitwanderweg GR5 von Hoek van Holland nach Nizza. Da mein Niederländisch extremst ausbaufähig ist, unterhalten wir uns auf Englisch. Die beiden sind echt sympatisch, wir haben heute das gleiche Ziel, werden uns also auf jeden Fall nochmal sehen.
Ich mache mich dann wieder auf den Weg. Durch einen schönen Wald gelange ich zur hübschen Kapelle Notre Dame de Rabas. Leider kann ich sie nicht von innen besichtigen, sie ist verschlossen – wie die meisten Kirchen und Kapellen während dieser Tour. Angeblich hat Karl der Große hier die erste Kapelle bauen lassen. Direkt nebenan ist ein Campingplatz, auf dem ich in einer früheren Planungsstufe mal eine Übernachtung in Betracht gezogen hatte – wie gut, dass ich die Etappen anders gelegt habe. Der Platz sieht nicht wirklich offen oder einladend aus. Durch einen herrlichen Wald mit Buchen, Eichen und Efeu an den Stämmen sowie schmalen Pfaden geht es weiter und dann einen Schotterweg hinauf zum Ort Vigy.
Hier gibt es eine Gruppenunterkunft, die am ehesten mit einer Jugendherberge vergleichbar ist. Ich habe mal wieder nichts vorgebucht, bekomme aber dennoch ein Einzelzimmer. Außerdem buche ich das Abendessen dazu. Die ersehnte Dusche verzögert sich, da zunächst ein Wasserrohrbruch repariert werden muss. So kann ich erstmal ein bis zwei Stunden chillen. Morgen werde ich Metz erreichen und reserviere kurzentschlossen ein Hotelzimmer, da ich zwei Nächte in der schönen Stadt bleiben möchte. Alternativ hätte ich auf dem Campingplatz auf einer Moselinsel mein Zelt aufschlagen können. Dort habe ich 2011 schon einmal mit meinem damaligen Kastenwagen gestanden. Da aber Regen angesagt ist, möchte ich das zweitägige Hausen im Zelt vermeiden.
Das Abendessen ist dann leider sehr enttäuschend: Reste vom Mittagessen stehen im Kühlschrank bereit und jeder Gast schiebt sich einen Teller in die Mikrowelle. Und dafür nehmen sie 10 €! Wäre ich wohl doch besser in den Ort gegangen. Aber nun ja, Hauptsache satt. Wieder unterhalte ich mich nett mit den Niederländern, die schon vor mir im Speisesaal waren.
Übernachtung:
Adeppa Vigy
Avenue Charlemagne
FR-57640 Vigy
GPS: 49.204358085817056, 6.308567720143569
Website
Preis: 30,00 € Ü/F, 10,00 € Abendessen
Einfach, aber zweckmäßig, wie eine etwas in die Jahre gekommene Jugendherberge. Das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt für mich nicht. Das Frühstücksbuffet war um 07:30 Uhr nicht ansatzweise fertig, die meisten Bestandteile musste ich erbitten. Das Abendessen war das wieder aufgewärmte Mittagessen. Das Zimmer war in Ordnung, sauber und großzügig bemessen.
Donnerstag, 8. September 2022
Nach einem mühsam zusammengesuchten Frühstück geht es wieder zurück auf den Pilgerweg. Im Zentrum von Vigy erhalte ich in einer Gaststätte gegenüber von der Kirche meinen Pilgerstempel – einen besonders schönen mit Muschelmotiv! Ich bin sehr froh, dass in meinem Pilgerführer Hinweise stehen, wo die Pilgerstempel zu bekommen sind – auf die Idee, in einer Gaststätte nachzufragen, wäre ich nie im Leben gekommen. Bei inzwischen ziemlich kühlen Temperaturen geht es weiter durch Felder, die Wege sind ab und zu schlammig, dann folgt wieder ein Waldstück. Größere Löcher im Weg wurden mit allem gestopft, was sich bietet: egal ob Dachziegel oder Steinfliesen.
Vor dem Ort Vany muss ich dann einer Umleitung des Pilgerweges folgen, aufgrund einer Baustelle an der A 31 ist die originale Wegführung gesperrt. So komme ich am Friedhof des Ortes vorbei, über den ich eine kleine Runde drehe. Von ganz frisch dekoriert bis total verfallen ist hier die ganze Bandbreite von Grabstellen zu finden.
Vorbei an der Fatimakapelle in Failly (auch verschlossen) laufe ich nun am Rand der Landstraße weiter. Einige Meter vor mir liegt etwas auf der Straße, scheint ein totes Tier zu sein, recht groß. Je näher ich komme, desto seltsamer sieht es aus. Als ich daran vorbei gehe, schaudert’s mich ein wenig. Ich vermute, dass es ein Dachs ist, der gehäutet wurde, das Fell liegt daneben. Er liegt auf dem Rücken und sein halb aufstehendes Maul sieht irgendwie komisch aus. Brrrr! Schnell weiter.
Vor dem sehr hübschen Ort Mey finde ich eine Bank für meine Mittagsrast. Im Dorf gibt es eine alte romanische Kirche, vor der prächtige Grabmäler stehen, und sehr adrette Häuser. Durch Sonnenblumen- und Maisfelder erreiche ich die Vorstädte von Metz, ein plötzlicher Regenschauer erfordert wieder den Poncho. Durch Wohngebiete mit Spielplätzen geht es stetig bergab Richtung Mosel.
An der alten Festungsmauer von Metz angekommen, ist leider wieder ein Umweg nötig. Der übliche Weg ist nicht passierbar, da hier eine alte Treppe abgetragen wurde. Wieder treffe ich mit den Niederländern zusammen und wir gehen gemeinsam durch die Festungsanlage an der Mosel entlang. Die beiden biegen dann ab, sie brauchen erstmal ein kopje koffie. Ich gehe nun zuerst zur Kathedrale Saint-Étienne, genieße die herrliche Gotik und hole mir am Infostand meinen Pilgerstempel ab. Jetzt brauche ich eine Stärkung, im Café „Namur“ bekomme ich mein Lieblingstörtchen: eine Zitronentarte mit Baiserhaube, französisch tarte au citron à la meringue soooo lecker! Und mit erstklassiger Aussicht auf die Südwestfassade der Kathedrale mit ihrer schönen Rosette. Gerade als ich meinen Kaffee ausgetrunken habe, fängt es wieder zu regnen an. Ich drehe eine Runde durch die ebenfalls am Platz liegende Markthalle.
Nun ab zum Hotel – das direkt gegenüber der Nordwestseite von Saint-Étienne liegt. Von meinem Zimmer aus kann ich das Bauwerk in voller Pracht bewundern. Und das Zimmer selbst …! Bilder sagen mehr als tausend Worte.
Der Nachmittag geht mit Wäschewaschen und Körperpflege zu Ende. Für das Abendessen gehe ich natürlich in die Innenstadt und lande in einem netten Restaurant mit dem lustigen Namen „Mamie m’a dit“ (dt. „Mama hat mir gesagt“), wo ich mir panierten Munsterkäse und ein Glas Pinot Gris aus dem Elsass schmecken lasse.
Restaurant „Mamie m’a dit“
22, place de Chambre
FR-57000 Metz
Website
Ganz in der Nähe von Kathedrale und Markthalle findet sich dieses gemütliche Restaurant, das mit lauter Trödel dekoriert ist. Der Service war nett und zuvorkommend und das Essen sehr lecker. Wie der Name vermuten lässt, gibt es bodenständige, aber keineswegs langweilige Gerichte. Ich hatte Glück, noch einen Tisch zu bekommen, es war viel los.
Den restlichen Abend verbringe ich am Fenster im Hotel und schaue mir die nun illuminierte Kathedrale sowie das Treiben in der Gasse unterhalb meines Fensters an.
Übernachtung:
Hotel de la Cathédrale
25, place de Chambre
FR-57000 Metz
GPS: 49.12052295782969, 6.1740961472155185
Website
Preis: Ü/F 125,00 € (variiert je nach Zimmergröße/-ausstattung/-aussicht)
Das Hotel ist direkt in der Altstadt, Kathedrale, Markthalle und Moselufer sind fußläufig innerhalb weniger Minuten erreichbar. Die Zimmer verteilen sich auf zwei Gebäude, beides schöne alte Reihenhäuser. Überall viel Eichenholz, wunderschöne Möbel im Stil des 18. Jahrhunderts und edle Stoffe. Sauberkeit ist selbstverständlich. Das Frühstücksbuffet lässt keine Wünsche übrig: jede Menge Obst, Kuchen, Brot, Croissants, Wurst und Käse, Konfitüren, Eier in vielen Variationen und einiges mehr. Auf Wunsch bekommt man einen frischgepressten O-Saft. Kaffee und Tee natürlich auch.
Freitag, 9. September 2022
Heute also mein „Ausruh-Tag“. Ich habe wunderbar geschlafen und genieße das abwechslungsreiche Frühstück. So ganz ruhe ich dann aber doch nicht aus, ich mache einen Gang in die Stadt, möchte mir einiges ansehen und das ein oder andere einkaufen. Als erstes das Shopping, mehr oder weniger erfolgreich. Da ich schon einmal in der Nähe bin, beginne ich mit der Besichtigung der Templerkapelle. Auch hier war ich 2011 schon einmal, aber heute wie damals kann ich mir das Gebäude nur von außen ansehen. Innen gäbe es Fresken aus dem 14. Jahrhundert zu bestaunen, die aber so empfindlich sind, dass Besichtigungen nur extrem eingeschränkt möglich sind. Durch einen Spalt in der alten hölzernen Tür erhasche ich zumindest einen Blick auf eines der bunten Fenster. Ein ganz besonderer Ort für mich, die ich vom Templerorden und seiner Geschichte fasziniert bin.
Die Architektur der Templerkapelle ist außergewöhnlich: ein achteckiger Hauptraum, daran anschließend ein rechteckiger Altarraum und zuletzt die runde Apsis. Wenn da mal nicht eine mystische Bedeutung hinter steckt … Die Kapelle war Teil einer Templerkomturei und wurde Ende des 12. Jahrhunderts gebaut. Wie durch ein Wunder überstand sie die Auflösung des Ordens sowie die folgenden unruhigen Jahrhunderte und steht heute etwas verloren wirkend in einem kleinen Park nahe der Mosel.
Nun geht es zurück in die Innenstadt, an einem großen Platz kehre ich ein und lasse mir ein typisches Bistro-Gericht schmecken: croque monsieur. Für den kleinen Hunger immer wieder perfekt. Weiter nach Westen, gelange ich nun zur Tour d’Allemand, einem aus dem Mittelalter erhaltenen Stadttor von Metz. Dass es nach den Deutschen benannt ist, erklärt sich durch ein damals in der Nähe gelegenes Hospital des Deutschen Ordens, ebenfalls ein Ritterorden ähnlich den Templern oder Johannitern, der heute noch immer besteht. Glücklicherweise reitet heutzutage niemand mehr auf Kreuzzüge, die Ordensleute widmen sich karitativen Aufgaben.
Die Stelle, wo die Mosel in den Rhein mündet, nennt man das „Deutsche Eck“. Aber nicht etwa, weil hier zwei bedeutende deutsche Flüsse zusammenfließen. Nein, auch hier hat der Deutsche Orden seine Finger mit im Spiel. Denn in Koblenz steht an der Landzunge noch heute ein ehemaliges Ordensgebäude des ordo theutonicorum. Man hat die Spitze lediglich erweitert, um Fläche für das große Reiterstandbild des Kaisers zu gewinnen.
Interessante Parallelen. Am frühen Nachmittag bin ich zurück im Hotel und halte Siesta. Einmal kommt ein heftiger Regenschauer herunter. An der Kathedrale kann ich nun sehr gut beobachten, wie gut der Abtransport des Wassers über die Regenrinnen und die Wasserspeier funktioniert. So bleibt die Bausubstanz vor eindringendem Wasser geschützt.
Zum Abendessen gehe ich heute nicht weit, nur zwei Häuser weiter findet sich ein italienisches Restaurant – heute habe ich Lust auf Pizza und Rotwein. Noch ein letzter Gang um die herrlich illuminierte Kathedrale herum und dann begebe ich mich zur erholsamen Nachtruhe.
Restaurant La Boveda
leider inzwischen geschlossen!
Samstag, 10. September 2022
Ich verlasse das wunderschöne Hotelzimmer nur ungern, aber es soll ja weiter gehen. Wieder den Rucksack schultern und dann kaufe ich erstmal in der Markthalle etwas Proviant ein. Nachdem Gamaschen und Poncho übergezogen sind (heute soll es wieder nass werden), geht es an der Mosel bzw. ihren Seitenarmen südlich aus der Stadt heraus. Mir fallen Hausboote auf, die Übernachtungsmöglickeiten bieten – B&B auf dem Wasser. Beim nächsten Mal vielleicht …
Der weitere Weg ist zwar naturnah am Wasser, aber auch langweilig, da es stur geradeaus geht. An einem Kanal entlang. Einmal biege ich kurz ab, um Wasser zu kaufen, ich habe keinen Tropfen mehr.
Das Leitungswasser ist in Frankreich leicht gechlort. Wenn man etwas in eine Karaffe oder ein Glas abfüllt und es kurz stehen lässt, ist es kein Problem und genauso trinkbar und geschmacklich einwandfrei wie das deutsche Leitungswasser. In der Trinkblase, die ich üblicherweise verwende, funktioniert das allerdings nicht. Hier kann sich der Chlor nicht verflüchtigen. Es schmeckt ganz grauenhaft. Deshalb muss ich in Frankreich entweder Mineralwasser kaufen oder kann nur Wasserquellen nutzen, die „non surveillée“ (nicht überwacht) sind. Diese sind i.d.R. chlorfrei.
In der Ferne sehe ich die Bögen eines alten römischen Aquädukts, das seinerzeit Metz mit Trinkwasser versorgte. Nach der Überquerung der Mosel geht es parallel der Bahnlinie weiter, bald bin ich an den Resten der alten Wasserleitung vorbei. Immer weiter, fast schnurgerade. Beim Ort Dornot überquere ich die Gleise und erreiche über einen kleinen Anstieg die Weinberge, durch die es nun weiter geht. Die Weinlese hat schon begonnen, ich komme kurz ins Gespräch mit dem Winzer, dessen Freunde und Familie ihm bei ernten helfen.
Dann erreiche ich Novéant-sur-Moselle, wo ich hoffe, ein geöffnetes Café zu finden. Kaffeedurst! Aber leider nichts zu finden. Also überquere ich wieder die Mosel, um nach Corny-sur-Moselle zu gelangen, wo ich auf dem Campingplatz heute mein Zelt aufschlagen werde. An der Rezeption kann ich dann auch meinen Kaffeedurst stillen. Das Zelt baue ich neben einer Picknickgarnitur auf, so habe ich gleich eine Ablage- und Sitzgelegenheit – hier sogar überdacht!
Kleine Klamottenwäsche und dann will ich essen gehen, ich hatte bei der Ankunft schon ein Restaurant ausgekundschaftet, das heute Abend geöffnet ist. Nur leider sind alle Tische reserviert! Da man auch Pizza to go anbietet, nehme ich halt eine pizza tahitienne (in Deutschland nennt man sie Pizza Hawaii) mit und esse sie an meinem Picknicktisch neben dem Zelt.
Restaurant Le Campagnol
42 Rue de Metz
FR-57680 Corny-sur-Moselle
GPS: 49.034734918325775, 6.059856844120195
Website
Übernachtung:
Camping Paquis Corny***
FR-57680 Corny-sur-Moselle
GPS: 49.04052725517773, 6.059301414259824
Website
Preis: 11,50 €
Fast direkt an der Mosel gelegen (nur der Fahrradweg und ein Zaun trennen den Platz vom Ufer) mit vielen großen Bäumen. Die Rezeption ist zwar „nur“ in einem Container untergebracht, aber die Technik ist sehr modern, Kartenzahlung gar kein Problem. Man kann hier auch Kaffee und Croissants/Baguette fürs Frühstück bekommen. Das Waschhaus ist hochwassersicher gebaut, aber etwas in die Jahre gekommen. Der Ort mit Restaurants und zwei Bäckereien ist fußläufig und schnell erreichbar.