Wandern auf dem Jakobsweg: von Domrémy-la-Pucelle nach Beaune – 1. Teil

Mein Langzeitprojekt „Jakobsweg“ geht weiter! Für dieses Jahr habe ich mir eine Strecke von 280 Kilometern vorgenommen. Mit dabei ist auch wieder alles, um im Zelt zu übernachten. Wie in den Jahren zuvor, werde ich wieder wertvolle Begegnungen erleben und kleinere Herausforderungen zu meistern haben. All dies kann mich nur voran bringen in meiner persönlichen Entwicklung. Und dabei entdecke ich außerdem mein Lieblingsland wirklich en détail.

Freitag, 5. Mai 2023

Die Anreise zum Startpunkt dauert diesmal sehr lange, da Domrémy nun mal ein wenig abseits der großen Transitstrecken liegt. Außerdem verpasse ich einen Anschluss in Frankfurt und muss kurzfristig die Route ändern. Doch auch mit der Herausforderung Schienenersatzverkehr zwischen Nancy und Neufchâteau komme ich klar. Vom Bahnhof lasse ich mich von meiner heutigen Gastgeberin per Auto abholen, das hatten wir vorher schon geklärt. Ich weiß ja noch von meiner Ankunft im September 2022, dass es keine Busverbindung zwischen Neufchâteau und Domrémy gibt.

Nach 14 Stunden unterwegs beziehe ich ein hübsches Zimmer bei Madame Viscogliosi. In dem adretten Bürgerhaus aus dem Jahr 1860 haben sie und ihr Mann eine große Bibliothek zum Thema Jeanne d’Arc eingerichtet, auch diverse Statuetten stehen hier. Ich nehme drei Bücher (ein deutsches und zwei japanische) zum späteren Stöbern mit aufs Zimmer. Der Monsieur ist sehr geduldig während unserer Unterhaltung und korrigiert mich auch, wenn ich etwas auf Französisch falsch sage. Dafür bin ich dankbar, ich möchte ja gerne alles richtig machen.

Zum Abendessen kehre ich wieder im Nachbarort Greux ein, das Restaurant und seine gute Qualität kenne ich auch noch vom letzten Jahr. Wieder speise ich vorzüglich.

Restaurant „La Marmite“
3 Rue Jeanne d’Arc
FR-88630 Greux
GPS: 48.44785698325486, 5.676092552478142
Website

Ein hübsches kleines Restaurant mit Bar, in der man auch Weine verkosten kann. Die Preise sind etwas höher, aber dafür bekommt man auch hervorragende Qualität – sowohl geschmacklich als auch optisch. Hätte ich in so einem kleinen Dorf gar nicht erwartet. Auch der Service ist einwandfrei.

Die japanischen Bücher kann ich zwar nicht lesen, aber das eine ist ein Manga (eine Art Comic), der sich über die Bilder auch ganz gut erfassen lässt. Mein Wunsch, alle Orte in einer Tour zu bereisen, an denen Jeanne d’Arc war, verstärkt sich wieder.

Übernachtung:
Gîtes et Chambres d’Hôtes „Le Clos Domrémy“
32, rue principale
FR-88630 Domrémy-la-Pucelle
GPS: 48.44464717747909, 5.6759160711127405
Website
Preis: 60,00 € Ü/F

Ein schönes altes Haus mit knarzendem Parkettboden, großen Fenstern und passenden Möbeln. Es liegt direkt am Ortseingang aus nördlicher Richtung, hinter dem Haus ist ein Garten, der in die Maaswiesen übergeht. Das Gastgeberpaar ist sehr nett und zuvorkommend. Neben zwei Gästezimmern werden auch Ferienwohnungen angeboten.

Samstag, 6. Mai 2023

Das Frühstück wird mir im Zimmer serviert. In das Gästebuch trage ich mich selbstverständlich auch ein. Beim Bezahlen lerne ich noch eine der Hauskatzen kennen, „Barnabé“ lässt sich sogar kurz streicheln. Statt eines Stempels bekomme ich hier einen Aufkleber für meinen Pilgerbrief.

Ich starte in kühlem Nebel, der noch über dem Maastal hängt, und laufe durch das Dorf, vorbei an der Kirche St-Rémy und dem Geburtshaus von Jeanne d’Arc, hinauf zur Basilika Bois-Chenu. An der Straße hält ein von hinten kommendes Auto neben mir – ein nettes Paar, das die Muschel an meinem Rucksack entdeckt hat und mich nach dem Woher und Wohin fragt. Sie selbst haben die Etappe des Jakobsweges von Le Puy nach Conques absolviert. Wieder einmal eine sehr nette Begegnung! Sie brausen weiter und ich erreiche nun die Basilika. Letztes Jahr hatte ich diese schon aus der Ferne gesehen, sie überragt das Tal weithin sichtbar.

Vor dem Gebäude stehen mehrere Statuen, besonders die Figurengruppe mit Jeanne, den beiden Heiligen Katharina und Margaretha sowie dem Erzengel Michael finde ich beeindruckend. In der Basilika wirken die Bilder und Mosaiken bombastisch, aber irgendwie auch übertrieben. Mir gibt die Kirche gar nichts, das ist mir zuviel Pathos.

Die Sonne hat inzwischen den Nebel aufgelöst und so ergibt sich ein herrlicher Blick in das Tal der Maas. Wirklich eine schöne Landschaft! Weiter geht es nach Coussey, dort suche ich den Supermarkt auf, um mich für die nächsten drei Tage mit Wanderverpflegung zu versorgen – denn am 8. Mai ist Feiertag in Frankreich. Mit dem Inhaber führe ich ein kurzes Gespräch, er meint, es wäre ein freudiger Tag, da heute König Charles III. gekrönt wird. Und ich erkenne wiedermal eine interessante Verbindung: auf meiner letzten Jahresetappe im September 2022 war Königin Elisabeth II. gestorben. Auf der diesjährigen wird ihr Sohn zum König gekrönt.

Nachdem zwei weitere Dörfer durchquert sind, erreiche ich ein kleines Bachtal, wo ich am späten Mittag eine lange Pause verbringe. Ich sitze auf einem kleinen Steg am Bach, halb in der Sonne, um mich herum nur das Plätschern des Wassers und Vogelgezwitscher. Nach einer Stunde geht es weiter, im nächsten Dorf gibt es eine uralte Brücke, die nur für Fußgänger passierbar ist, Autos müssen durch die Furt fahren. Vorbei an einer alten Abtei, worin heute Wohnungen sind, geht es zu einer breiten Straße, die ich überquere und in einem Wald voller blühendem Bärlauch lande.

In Rouvres-la-Chétive hätte die Etappe eigentlich heute enden sollen, aber schon zuhause hatte ich herausgefunden, dass das einzige Hotel im Ort vorübergehend geschlossen wurde, da die Inhaberin verstorben war. Jetzt entdecke ich am Haus sogar ein Zu-Verkaufen-Schild. Hoffentlich findet sich jemand, der das Hotel weiterführen möchte. Ich habe als Alternative ein Gästezimmer in Châtenois gebucht. Ziemlich fertig komme ich dort an, nach diesem Kaltstart mit vielen Kilometern aber auch nicht verwunderlich.

Das sehr nette Paar Sylvie und Dominique heißt mich herzlich willkommen, auch Hund „Pouppy“ ist total aus dem Häuschen. Die Hausherrin zeigt mir das Mezzanin, wo ich allein residieren darf. Wir verabreden eine Zeit für die Mahlzeiten und dann mache ich mich frisch und ruhe mich aus.

Zur vereinbarten Zeit bin ich unten und werde zum Aperitif auf der Terrasse eingeladen. Das Essen nehme ich allein ein, die anderen werden später essen. Kurze Zeit später kommt noch ein Nachbarpaar hinzu, die meine Gastgeber eingeladen hatten. Sie binden mich wunderbar in die Gespräche ein, sind ehrlich interessiert und so ist es ein geselliger Abend. Auf meine Bitte machen wir noch vor dem Haus ein Foto von meinen Gastgebern mit mir, auch Pouppy kommt mit drauf. Da ich aber doch ziemlich müde bin, ziehe ich mich bald zurück.

Übernachtung:
Privatunterkunft, buchbar bei Airbnb

Ein Traum von einer Unterkunft: Schlafzimmer, Bad und Aufenthaltsecke im Obergeschoss ganz zur alleinigen Nutzung. Mezzanin deshalb, weil ein Teil zum hohen Wohnzimmer geöffnet ist. Das wird aber diskret per Vorhang geschlossen, wenn ein Gast anwesend ist. Alles ist hübsch eingerichtet und absolut sauber. Der Garten ist ein Traum. Sylvie und Dominique sind superherzlich und perfekt auf Pilger eingestellt (für diese bieten sie auch eine étappe soirée an).

Sonntag, 7. Mai 2023

Das Frühstück kredenzt Sylvie mir in ihrer Küche und wir unterhalten uns, während sie ihren Haushalt schmeißt. Als ich bereit zum Aufbruch bin, darf sie eine Premiere feiern: auf meinen Pilgerbrief setzt sie den ersten Abdruck ihres nagelneuen Pilgerstempels! Auch für mich eine Ehre. Heute nehme ich ihr Angebot an, dass sie mich fährt (sie hätte mich gestern auch vom Jakobsweg abholen können, da Châtenois ein Abzweig ist, aber gestern musste ich noch einen Geldautomaten im Ort suchen). Da der Weg zurück zum Pilgerweg echt steil ist, bin ich froh über die motorisierte Variante. Als Sylvie mich an dem Waldweg absetzt, verabschiedet sie mich auf die französische Art: Küsschen links, Küsschen rechts. Ich bin überrascht und geehrt, denn diese Verabschiedung ist eigentlich guten Freunden und Verwandten vorbehalten. Immer wieder bedanke ich mich für die herzliche Aufnahme.

Es nieselt mal wieder und zunächst geht es über viel Asphalt, immer wieder durch kleine Dörfer. Ein Stück parallel der Autobahn A31, die ich schon so einige Male befahren habe. Auf der Hälfte der Etappe überquere ich sie und nun folgt ein großer Wald, wo die Wege schlammig sind. Die Markierung des Weges ist wieder super, meistens sowohl mit der gelben Pilgermuschel auf blauem Grund als auch mit den rot-weißen GR-Markierungen. Innerhalb des Waldes kommt mir ein Motocross-Fahrer entgegen – der einzige Mensch, dem ich heute während des Wanderns begegne. Kurz danach mache ich meine Jause, auf einem umgestürzten Baumstamm sitzend.

Vorbei am Lac de Folies und einem Freizeitgelände geht es in die Stadt Contrexéville, ein Kurort und mein heutiges Ziel. Hier wird das Mineralwasser Contrex abgefüllt, das überall in Frankreich in den Supermärkten zu finden ist. Eigentlich wollte ich hier den Campingplatz nutzen und mein Zelt aufbauen, aber wegen des anhaltenden Regens ändere ich den Plan und suche mir ein Hotelzimmer, wo ich auch eine étape soirée bekomme. Der Nachmittag vergeht mit Ausruhen, Körperpflege und Wäsche waschen.

Am Abend komme ich mir im Restaurant des Hotels schon komisch vor in meinen Wanderklamotten. Aber fein machen gibt es beim Pilgern – zumindest bei mir – aktuell nicht. Alles muss praktisch sein. Das Hauptgericht – Risotto mit Comté-Käse und grünem Spargel – schmeckt mir sehr gut, obwohl ich eigentlich mit Spargel nichts anfangen kann. Als Dessert gibt es eine baba au Roi Stanislas.

Eine baba au Roi Stanislas ist ein kleiner Gugelhupf, der in Malaga getränkt ist. Angeblich hatte der polnische König Stanislas Leszczynski, der als Herzog von Lothringen im Exil lebte, schlechte Zähne und konnte den eher trockenen Gugelhupf kaum essen. Sein Koch soll daraufhin auf die Idee gekommen sein, das Gebäck in Hochprozentigem zu tränken. Im 19. Jahrhundert benutzte man Rumsirup statt Malaga, weshalb sich der Name zu baba au rhum änderte. Der Name geht auf „Ali Baba“ zurück, so nannte der König sein Lieblingsdessert, weil er ein großer Fan der „Geschichten aus tausend und einer Nacht“ war.

Abends im Zimmer überlege ich mir, dass wieder einmal ein „ich-schicke-es-nach-Hause-Tag“ erreicht ist. Mein Rucksack ist einfach zu schwer, meine Beine und Füße ächzen unter der Belastung. Ich werde das ganze Campingequipment nach Hause schicken, denn auch für die nächsten Tage ist immer mal wieder Regen angesagt und sooo viele Campingplätze gibt es auch gar nicht an der diesjährigen Route.

Übernachtung:
Cosmos Hotel & Spa
13 Rue de Metz
FR-88140 Contrexéville
GPS: 48.18379165932179, 5.8918937269185525
Website
Preis: 107,10 € (HP/étappe soirée)

Großes Hotel-Restaurant ganz nah am Zentrum von Contrexéville. Die Zimmer sind groß, schön gestaltet, sauber und ruhig. Der Chloranteil im Leitungswasser schien hoch, nach dem Duschen hatte ich rote Augen. Restaurant und Bar bieten eine gute Auswahl, es gibt einen Außen-Pool und man kann Wellness-Angebote im Haus nutzen.

Montag, 8. Mai 2023

Ich habe herrlich geschlafen und stärke mich am reichhaltigen Frühstückstbuffet. Mit Sack und Pack geht es dann zur Trinkhalle des Kurortes, dort befindet sich das Office de Tourisme, wo ich mir meinen Stempel abhole. Meine Wasservorräte fülle ich mit dem Mineralwasser auf, das man an der Wandelhalle kostenlos zapfen kann. Ist zwar geschmacklich Welten entfernt von meinem Lieblingswasser Volvic, aber auf jeden Fall besser als Leitungswasser mit Chlor.

Das Wetter ist schwülwarm, aber ich bin dankbar, dass die Sonne nicht herunterbrennt. Der Weg führt mich nun auf eine alte Römerstraße, die sich über elf Kilometer (!) fast schnurgerade über die Hügel erstreckt. Links und rechts gibt es zwar Wiesen, Wälder und Weiden zu sehen, aber irgendwie wird es doch etwas eintönig. Zum ersten Mal mache ich mir auf meinem Handy Musik während des Laufens an. An einer Sitzgruppe mit Pilgerdekoration könnte man sicherlich eine schöne Pause verbringen, jedoch – es ist noch viel zu früh.

Irgendwann komme ich an einer Hofstelle vorbei und dahinter ist die richtige Pausen-Location: eine bunt blühende Wiese, umgeben von Hecken und Bäumen in einer Senke und somit windgeschützt. Dort lasse ich mich nieder und schmause. Im Weitergehen rufe ich meine heutige Gastgeberin an, um ihr mitzuteilen, um wieviel Uhr ich bei ihr eintreffen werde. Der Ort ist wieder ein kleiner Abstecher vom Weg.

Nach der Durchquerung einer Bachsenke erreiche ich Aureil Maison und biege ab nach Lamarche. Dort hoffe ich auf eine Postagentur. Das Ladenlokal sieht jedoch dauerhaft geschlossen aus. Ohje, aber ich will doch Gepäck loswerden! Das Haus meiner Gastgeberin finde ich ohne Probleme. Es ist eine klassische Privatunterkunft für Pilger, die gegen Spende angeboten wird. Die Adressen und Kontaktdaten erhält man nur über die Touristenbüros. Madame führt mich zunächst in die Küche, wo sie mir einen Kaffee und etwas Gebäck anbietet. Dann zeigt sie mir das Zimmer, das sogar über ein eigenes Bad verfügt. Besonders schön finde ich die hölzernen Fensterläden, die ich später auch zur Verdunkelung nutze.

Das Abendessen nehmen wir zu dritt ein: Madame Contaux, ihr Bruder Bruno und ich. Der Bruder führt den Hof der Familie. Beide sind sehr herzlich und wir unterhalten uns prächtig. Das Essen ist eine wahre Wucht! Madame hat sogar „mal eben“ das Dessert geändert. Sie hatte beim Kaffee von ihrem Früchte-Crumble erzählt und ich war ganz neugierig – denn ich liebe Crumbles! Kurzerhand hat sie heute einen gemacht, mit Beerenfrüchten aus dem eigenen Garten. Als wir auf die Wettervorhersage für morgen kommen, hat sie einen schönen Spruch, den ich mir aufschreiben lasse, um ihn nicht zu vergessen:

„La pluie du matin n’effraye pas le pèlerin.“
„Der Regen am Morgen bereitet dem Pilger keine Sorgen.“

Übernachtung:
Privatzimmer in Lamarche
Adresse und Kontaktdaten erhältlich über die Touristenbüros am Pilgerweg

Dienstag, 9. Mai 2023

Die Nacht war ein bisschen unbequem, da die Matratze doch ziemlich stark durchgelegen ist. Beim Frühstück trinke ich meinen Tee aus einer bol, einer kleinen Schüssel. Dieses Trinkgefäß habe ich damals im Französisch-Unterricht in der 7. Klasse kennengelernt und wollte seitdem mal aus einer bol trinken. Darauf musste ich also 28 Jahre warten! 😀 Madame kann mir dann wegen der Post helfen, es gibt eine neue Agentur, die im Zentrum des Ortes zu finden ist. Wegen eines Stempels gibt sie mir den Tipp, in der Apotheke nachzufragen. Sie trägt dann noch einige meiner Daten in die Statistik-Liste ein und ich wiederum hinterlasse einen Eintrag in ihrem Gästebuch. Ich gebe ihr außerdem meine Spende und danke ein ums andere Mal für die herzliche Aufnahme.

Als erstes gehe ich in den nahen Supermarkt und kaufe neue Verpflegung sowie Wasser in Flaschen. Dann weiter zur Post, dort kann ich auch Kartons kaufen und so packe ich die größtmögliche Box voll mit Zelt, Schlafsack, Isoluma, Plane, Stirnlampe und einer viel zu dicken Wanderhose. Das Ganze schicke ich an mich selbst, meine Nachbarin wird es annehmen. Als Absender muss ich allerdings zwingend eine französische Adresse angeben – ich nehme kurzerhand die meiner gestrigen Gastgeberin. Falls das Paket nicht ankommen sollte, habe ich ja immernoch ihre Telefonnummer.

Um gute drei Kilogramm erleichtert geht’s noch zur Apotheke, wo ich einen schnöden Datumsstempel erhalte. Aber immerhin steht da der Name des Ortes mit drauf. In Aureil Maison bin ich zurück auf dem Jakobsweg. Auf einem zunächst breiten Weg geht es durch einen wunderbaren Wald. Einmal kommt von rechts ein Reh, es bemerkt mich zunächst nicht und ich halte sofort an und schaue, während es genüsslich äst. Doch dann scheint es mich doch zu sehen und scheint unschlüssig. Ich halte still und mache keinen Mucks. Doch dem Reh ist das nicht geheuer und es tritt den Rückzug an, woher es gekommen ist.

Bald knickt die Route im rechten Winkel ab und nun geht es auf schmalen Pfaden und durch Schlamm tiefer in den Wald. Über Stock und Stein mitten in der Natur – ich liebe es! Ein Teil der Strecke ist sogar mit echten Jakobsmuscheln statt der Schilder markiert. Irgendwann überquere ich die Grenze zwischen den Départements Haute Marne und Vosges. Dann folgt wieder ein breiter Forstweg, wo ich Gas geben kann. Am späten Mittag erreiche ich den vorher ausgeguckten Picknickplatz für meine Pause. Leider regnet es, aber mit Poncho kein Problem.

Nun folge ich Straßen durch Felder und komme so nach Bourbonne-les-Bains. Auf einer Höhe über dem Zentrum liegt das Schloss, in dessen Hof ich kurz schaue, weil das Tor so interessant aussieht. Dann den Hügel hinab zum Office de Tourisme, wo ich eigentlich „nur“ einen Stempel haben möchte. Doch der nette junge Mann fragt sofort, ob ich einen Kaffee trinken möchte. Kann er etwa Gedanken lesen? Merci bien! In einem Rondell im Inneren des Gebäudes darf ich Platz nehmen, darum herum ist ein kleiner Kreativmarkt, ich beobachte das Treiben.

Nach dieser schönen kleinen Auszeit gehe ich zur gebuchten Unterkunft und beziehe ein hübsches kleines Zimmer mit Blick über den Garten hinüber zur anderen Talseite. Schnell die feuchten Klamotten aus! Ich hoffe, dass der Regen bald mal nachlässt. Mit dem Poncho klappt es zwar sehr gut und auch die Gamaschen tun ihren Dienst, dennoch saugen die Goretex-Schuhe die Feuchtigkeit in sich auf.

Für das Abendessen gehe ich ins Städtchen und finde ein winziges mit „Pizzeria“ beschriftetes Restaurant, das sich als absoluter Glückstreffer entpuppt. Denn nicht nur ist der kleine Gastraum liebevoll eingerichtet und die Servicedame (gleichzeitig Inhaberin) äußerst nett und zuvorkommend – nein, es gibt auch noch ein absolut leckeres und außergewöhnliches Gericht: caquelon lorraine.

Ein „caquelon“ ist ein gusseiserner Topf, der z.B. auch für Schweizer Fondue verwendet wird. Die Spezialität des Hauses ist in einem solchen Topf zubereitet und angerichtet. Es besteht aus gekochten Kartoffeln mit Speck und Mirabellen, das alles überbacken mit Munster- und Emmentaler-Käse sowie flambiert mit Marillenschnaps.

Diese besondere Mischung aus herzhaft und süß ist einfach himmlisch! Über Kalorien reden wir nicht, beim Wandern braucht man die. 🙂 Dazu trinke ich ein bretonisches Bier. Auch ein leckeres Dessert lasse ich mich ausnahmsweise schmecken.

Pizzeria „Le jardin“
73 Grande Rue
FR-52400 Bourbonne-les-Bains
GPS: 47.95332456879328, 5.750947986966187
Website

Man darf sich von der Bezeichnung „Pizzeria“ nicht irre führen lassen! Es gibt noch viele andere leckere Gerichte. Der Laden wird von einem Paar betrieben, die Dame des Hauses kümmert sich um den Service und der Hausherr steht in der Küche. Das caquelon lorraine ist seine eigene Erfindung. Nur deswegen würde ich auf jeden Fall wieder in Bourbonne-les-Bains vorbeischauen! Im Gastraum kann es etwas eng werden. Am Wochenende ist sicherlich eine Reservierung ratsam.

Übernachtung:
Pension „Gérard“
19 Rue de la Chavanne
FR-52400 Bourbonne-les-Bains
GPS: 47.95079191700663, 5.748179567811413
Website
Preis: 64,00 € Ü/F

Nette und praktische Zimmer mit schönem Blick über den Ort. Sehr ruhig gelegen und bei schönem Wetter kann man den Garten auch richtig genießen.

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